Abenteuer Jahresmannschaft 06/07 auf Schloss Reichenberg
von Peter Schmidt
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nach dem Abitur für einige Zeit ins Ausland zu gehen.
Doch dann begann mein zwei Jahre älterer Bruder sein Freiwilliges Soziales Jahr im Lebenszentrum Adelshofen. Was er vom gemeinsamen Leben in der Kommunität berichtete, ließ in mir den Wunsch wachsen, etwas Ähnliches zu erleben. So stieß ich schließlich auf die OJC und entschied mich, hier mein FSJ zu machen.
Die Erwartungen
Meine Erwartungen waren stark an die Erzählungen meines Bruders geknüpft. Ich dachte, es würde ein Jahr voller Freude, Harmonie und tollen geistlichen Erfahrungen werden. Ich wollte eine Entscheidung für meinen weiteren Lebensweg treffen und die Selbständigkeit erproben. Darüber hinaus gab es einige Erlebnisse aus meiner Schulzeit, die ich gern zurücklassen und dafür neues Land entdecken wollte. Da meine Arbeitsgebiete Haus, Hof und Garten sein sollten, erhoffte ich mir dadurch auch grundlegende Kenntnisse im handwerklichen Bereich. Alles in allem ging ich mit großer Motivation in das Jahr und war sicher, dass es mir leicht fallen würde, mich in der OJC einzuleben und neue Kontakte zu knüpfen.
Letztendlich sind viele meiner Erwartungen erfüllt worden, wenn auch ganz anders, als ich es mir erträumt hatte.
Die Realität
Die ersten Wochen verliefen noch sehr erwartungsgemäß und unkompliziert. Innerlich fühlte ich mich wie auf einer verlängerten Freizeit, wo es jeden Tag neue Erlebnisse und Menschen zu entdecken gab. In unserer Viererwohngemeinschaft lief es soweit ganz ordentlich und es gab nur wenige größere Auseinandersetzungen.
Doch mit der Zeit spürte ich, dass ich innerlich immer anfechtbarer wurde. Äußerungen und Verhaltensweisen von anderen begannen mich mehr und mehr zu nerven und störten mein Harmoniebedürfnis. Ich erkannte, wie schwierig es ist, gelingende Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Am meisten belastete mich meine eigene Unfähigkeit, meine Gefühle und Gedanken zu artikulieren. Konflikte auszutragen und meine eigenen Fehler und Schwächen einzugestehen, fiel mir sehr schwer.
In einigen Mentorgesprächen brachen alte Wunden verstärkt auf und ich begann langsam zu verstehen, warum ich mich so fühlte und verhielt, wie ich es doch eigentlich gar nicht wollte.
Doch immer wieder stieß ich an meine Grenzen und war gefrustet. Nach außen hin versuchte ich, gelassen und zufrieden zu wirken, doch spürte ich in mir eine ungeklärte Spannung, die mich belastete. In dieser Zeit fühlte ich mich wie auf einer Welle, die meine Stimmung auf und nieder riss. Gott sei Dank fand ich Menschen, die mich ernstnahmen und mir zuhörten.
Der Weg
Auch der geistliche Rhythmus in der Gemeinschaft und die vielen Andachten und Seminare gaben mir gute Impulse, um mein Leben und meine Ziele, aber gerade auch meine inneren Spannungen und Probleme neu zu überdenken und zu ordnen. Gespräche mit Mitarbeitern taten mir sehr gut und halfen mir, eine neue Art des Umgangs mit mir selbst und anderen einzuüben. So wuchs mit der Zeit in mir eine größere Gelassenheit, nicht alle Dinge regeln zu können und nicht mit allen Leuten gleichermaßen gut auszukommen.
Die Art, wie das Vertrauen in Gottes Liebe und Fürsorge in der OJC gelebt und vermittelt wurde, verhalf mir zu einem positiveren Gottesbild und in Folge dessen auch zu größerer Selbstakzeptanz.
Zudem lernte ich durch gute Bücher wie z.B. "Der ungezähmte Mann" von John Eldredge und durch eine Männertagung auf Schloss Reichenberg wichtige Aspekte des Mannseins kennen und bekam auch Antworten auf die Frage nach meiner von Gott gewollten Identität.
Das Einüben in die Dankbarkeit war dabei ein wichtiger Schritt - zu lernen, mich an dem zu freuen, was ich habe und mich so anzunehmen, wie ich bin.
Die Herausforderung
Eine besondere Herausforderung war der wöchentliche JIG-Sport, für den ich als einer von zwei Leitern verantwortlich war. Dazu kamen Jugendliche aus den unterschiedlichsten Kreisen in Reichelsheim, die zum Teil sehr ehrgeizig und auch streitsüchtig waren. So gab es des Öfteren verbale oder sogar körperliche Auseinandersetzungen, die wir schlichten mussten. Mein Leitungskollege und ich mussten lernen, uns durchzusetzen und die Jugendlichen immer wieder neu zu motivieren. Das war eine Herausforderung, die mir nicht leicht fiel, die mir aber geholfen hat, mein Durchsetzungsvermögen zu stärken.
Letztendlich hat das enge Zusammenleben und das Nicht-Ausweichen-können vor Menschen und Konflikten entscheidend dazu beigetragen, dass ich in dieser Zeit sehr viel gelernt habe: Den anderen stehen lassen und mich nicht von ihm abhängig machen, die Unterschiedlichkeiten annehmen und trotzdem aufeinander zugehen und gemeinsam auf dem Weg zu bleiben.
Dieses Jahr in der OJC war für mich eine absolute Bereicherung und hat mir eine gute Grundlage für mein weiteres Leben gegeben. Ich habe gelernt, auch Schritte zu tun, die unbequem und herausfordernd sind. Gerade diese Grenzerfahrungen haben meinen Horizont in jeder Hinsicht sehr erweitert. Ich bin froh, wissen zu dürfen, dass mein Leben in Jesus verwurzelt ist und ich im Bewusstsein seiner Liebe vertrauensvoll in die Zukunft schauen kann.