Stille. Weite. Klarheit

Innehalten bei einem Freund. Mit Gott in der Stille reden

Mitglieder der Kommunität berichten von ihrer Beziehungspflege mit Gott, ihrem Freund.

Das Schöne und Schwere sagen lernen

Gott ist Liebe und Gott ist heilig. Wie beides zusammengehört, ist für mich nicht leicht zu erfassen. Viele Jahre tat ich mich schwer, Gott meine dunklen Seiten zu zeigen, weil ich Zurückweisung und Tadel fürchtete. Mein Lernschritt war die Erkenntnis, dass Jesus das Schwache heilen möchte und den Sünder nicht verurteilt, sondern ­befreit. Er möchte mein Freund sein in guten und in schweren Tagen. Darum halte ich mich jeden Tag dem Freund und Heiland hin, im Schönen und Schweren, in meinen Erlebnissen und Erwartungen. Darin erlebe ich Freiraum und Heilwerden; ich erfasse die Kraft seiner Freundschaft zu mir und zu anderen. Mir hilft der äußere Rahmen: Ein fester Ort, der dafür reserviert ist, um ganz vor Gott zu stehen, zu sitzen, zu knien, zu liegen und mich auch auf eine Begegnung einzulassen, abseits vom ­geschäftigen Familienalltag. Dort gibt es eine Ikone zum Betrachten, Kerze, Kreuz und einen Teppich. Wenn ich mich hier niederlasse, denke ich an sein liebendes Vaterherz, vor dem ich mit allem, was in mir gerade ist, sein kann.

Manche Reaktionsmuster, die ich auch aufgrund von verletzenden Erfahrungen ausgebildet habe, sind wie eine breite Fahrstraße, die in Verzweiflung und Unfrieden führen. Auch äußere Unruhe, zu viele Projekte, die die Taktzahl über mein seelisches Fassungsvermögen beschleunigen, stören die Stille, beeinträchtigen meine Hörfähigkeit. Da helfen mir Leitworte: geistliche Gedichte oder Lieder, ein Bibelvers. Sie erinnern an die Freiheit, die er mir schenken möchte. Solche Worte trage ich über längere Zeiträume mit mir, verinnerliche sie und mache sie zu einem Landeplatz für neue Erfahrungen der Hoffnung: Mit Jesus kann ich neue Wege gehen.

Matthias Casties  (OJC seit 1996)

 

Momente des Innehaltens

Ich muss schon sagen: Stille ist mir nicht angeboren. Aber sie ist etwas, nach der ich mich immer wieder sehne, und die ich auch brauche, da ich angewiesen bin, Gott in meinem Herzen Raum zu geben – innezuhalten in meiner Geschäftigkeit, in meinem Pflichtbewusstsein und Verantwortungsgefühl, in den manchmal unlösbar scheinenden  Situationen.

Stille Zeit beinhaltet für mich nicht nur eine Stunde Stille am Morgen und einen bestimmten Ablauf von eigenem Reden, Hören und ­Beten, sondern ich habe öfters am Tag ein Meeting mit Ihm. Mir ist es wichtig geworden, ­jederzeit in Gottes Gegenwart zu leben und zu sein, nicht nur still die Augen zu schließen und die Hände zu falten, sondern immer wieder während des Tages – für kurze Momente – auf Empfang eingestellt zu sein. Das plane ich nicht vorher. Für viele Situationen meines Alltags finde ich nicht immer gleich eine Sprache, zum Beispiel für die zu großen Schuhe, die ich manchmal zu tragen meine, oder die unaus­gesprochenen Erwartungen, die Schwingungen, die ich in verschiedenen Begegnungen spüre. Aber ich bin mir gewiss über Gottes Reden, Handeln und Eingreifen – und über den Wert und die Würde, die Gott mir und jedem von uns zuspricht. Daher entlasten mich die Momente des Innehaltens, nicht immer auf alles gleich und sofort reagieren zu müssen. Inne­zuhalten und mit Seiner Unterstützung zu rechnen, gibt mir den notwendigen inneren Abstand.

Der Radweg ins Büro vom Tal zum Schloss hinauf war mir z. B. über Jahre eine stärkende und hilfreiche Ergänzung zur gewohnten Stillen Zeit am Morgen.

Monika Wolf (OJC seit 1984)

 

Weite und Klarheit

Warten, schweigen, hören, vertrauen ... sind für mich in der Stillen Zeit zu einer entscheidenden Haltung geworden. Einen Bibeltext lesen – warten. Ein Gebet sprechen – schweigen. Einen Gedanken aufschreiben – hören. Handeln – im Vertrauen. Und siehe da: Er gibt, was ich brauche. Es ist ein Beziehungsgeschehen, das ich nicht „machen“ kann. Was er mir wie und wann mitteilt, ist seine Sache. Meine Sache ist es, zu warten und zu hören. Dieses Tun gibt mir eine Weite und Klarheit im Alltag, die nicht aus mir selbst kommt.

Konstantin Mascher  (OJC seit 2004)
 

Kürzer, kontreter, konzentrierter

Für mich war Stille Zeit lange mit Ruhe, Kerze, Bibel, Losungs- und Tagebuch verbunden. Je intensiver ich über mich nachdachte und einen ­Bibelabschnitt studierte, desto gelungener schien sie mir. Seitdem ich zwei Kleinkinder habe, komme ich nur selten dazu. Jetzt lade ich Gott einfach in meinen Alltag ein: bitte ihn um Kraft für jeden einzelnen Tag, werfe meine Ängste und Sorgen in Bezug auf die Kinder auf ihn, bitte um seinen Segen für unsere Ehe, halte Fürbitte während ich koche, singe ein Loblied auf dem Weg zum Supermarkt, danke für den vergangenen Tag beim Gute-Nacht-Gebet mit den Kindern... Mein Reden mit Gott wird kürzer, konkreter, konzentrierter. Ich lerne, auf ihn zu warten. Dadurch werde ich aufmerksamer und nehme ihn verstärkt wahr. Ich erlebe ihn als lebendig, allmächtig und gegenwärtig in meinem ­Leben. Ich mache weniger Stille Zeit, aber ich verbringe mehr Zeit mit Gott.

Rahel Rasmussen  (OJC seit 2009)

 

Türöffner zum Gespräch

Durch einen Freund in der Schulzeit habe ich zur Praxis der Stille gefunden. Seither ist mir diese Übung des Hörens und des Gesprächs mit Gott ein wachsendes Bedürfnis.

Andrej Rubljows Dreifaltigkeits-Ikone oder das Bild von Christus mit Abbas Menas empfangen mich morgens. Ich liebe es, in der dunklen Frühe des ­Tages auf meiner Kniebank zu sitzen, das Bild zu betrachten, mich anschauen zu lassen. Stift und ­Papier liegen bereit für die Gedanken, die sich melden. Denn meistens weiß ich erst später, was ­wesentlich war. Oft notiere ich gar nichts.

Viele Jahre war die Losung der Türöffner zum Gespräch mit Gott. Mit der Zeit nahmen die Psalmen oder aufgeschriebene Gebete diesen Platz ein; meist über Wochen derselbe Psalm, dasselbe Gebet. Alle Unruhe, Sorge, Angst, aber auch Freuden und ­Fragen melden sich in dieser Zeit. Erstaunlich ist es, wie sie immer wieder in eine stille Freude, trostvolle Klarheit, in schöpferische Antworten verwandelt werden. Die Stille ist die Zeit des Loslassens und nicht des Anpackens, des aufrichtigen Daseins vor Gott und nicht der Pflicht, meinen frommen ­Idealen zu genügen. Bis auf den Tag bin ich hierin ein Anfänger.

Wie alles Neue bekommt auch die Stille irgendwann den Geschmack des Alltäglichen. Sie ist eine Zeit des Festes und eine „Ausnüchterungszelle“ zugleich. Die Gedanken sind zeitweise banal, kreisen immer wieder um gleiche Themen. Das aber ist es, was ich vor ihm ausbreite und nicht mehr beiseiteschiebe. Darüber vergeht meistens eine halbe Stunde. Aber sie öffnet die Tür zum Hören.

Es bereitet mir Freude, aus den Psalmen und den Gebeten von Vätern und Müttern der Kirche zu schöpfen. An ihren Worten und Gedanken entzündet sich das eigene Gespräch mit dem Vater Jesu Christi. Seit Jahren schreibe ich die Gebete, die mir sehr nahe sind, in ein Gebetsbuch; was durch die Hand geht, prägt sich im Herzen ein. Immer wieder bitte ich darum, dass er die erste Liebe zu ihm, die Liebe zu den Menschen und zu seinem Wort in mir weckt und erhält.

Ein-, zweimal die Woche nehme ich mir die Zeit, mehrere Kapitel der Bibel zu lesen. Je absichtsloser, desto größer der Gewinn und die Entdeckerfreude.

Ralph Pechmann (OJC seit 1979)

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