Reichelsheimer Europäisches Begegnungszentrum,
Bismarckstr. 8, Reichelsheim
Was ist Antisemitismus überhaupt? Wieso ist er ein immer wiederkehrendes Thema? Was unterscheidet ihn vom Antijudaismus oder Antizionismus? Egal, ob rechts, links oder islamistisch gestrickt, befriedigt der Antisemitismus das Bedürfnis nach einem Sündenbock, Prügelknaben, Schuldigen für persönliches oder gesellschaftliches Elend, der Fremdenfeindlichkeit verwandt.
Wir haben zu diesem Thema Daniel Neumann, den Leiter der Jüdischen Gemeinden in Hessen in das Begegnungszentrum eingeladen und gewinnen können, zu diesem wichtigen Thema zu sprechen und Fragen zu beantworten.
Herzliche Einladung!
„Die Deutschen werden uns Auschwitz nie vergeben“, kommentierte ein jüdischer Psychologe vor wenigen Jahren. Mit dem Ende der NS-Zeit und der „deutschen Wiedergutmachung“ meinten viele, habe sich auch unser „Problem“ mit den Juden erledigt. Das Gegenteil ist der Fall. Bemerkungen wie „Ich bin nicht schuldig für das, was den Juden angetan wurde“ und „Die Juden sind schon selbst schuld an dem, was sie zu ertragen haben“, wurden mir gegenüber gemacht. „Das Thema KZ ist mir egal, aber unser Lehrer wollte, dass wir darüber reden“, so das Resümee eines Jugendlichen nach einem Gespräch. Hat das etwas mit Antisemitismus zu tun? Viele sehen ihn dann am Werk, wenn Friedhöfe geschändet werden, die Juden in Halle am Jom Kippur mit offener Gewaltanwendung bedroht werden. Der Täter wurde der rechten Szene zugerechnet. Die gemalte Erzählung von der Weltverschwörung der Juden auf der Documenta in Kassel 2022 war ein mediales Großereignis. Und zwei Vertreter des Künstlerkollektivs lehren heute in Hamburg an der Kunsthochschule. Sie initiierten jüngst eine Gesprächsrunde zu diesem Geschehen. Viele Referenten waren geladen, nur keine jüdischen Vertreter. Linker Antisemitismus kommt intellektuell und kreativ, erhaben daher. Haben wir uns nicht an diesen Teil deutscher Geschichte und Gegenwart gewöhnt? Ehe Antisemitismus mit der Aufklärung des 19. Jh. als Kehrseite jüdischer Emanzipation zur allgemeinen politischen Erscheinung wurde, galten die Juden als Christusmörder und der Antijudaismus in den Kirchen war schon eine jahrhundertalte, tödliche Bedrohung – nicht erst seit Martin Luther. Er wies auch darauf hin, dass man „die Raben der Schuld und Vorurteile mit hindern könne, über unserem Haupt zu kreisen, aber wohl daran, bei uns zu nisten und sich einzurichten“. Unsere Hoffnung ist, dass dieser Abend ein Gespür für antisemitische Rede und den Mut dagegen einzutreten wecken möge.