Im Hebräischen hat das Wort vergessen die Bedeutung von „etwas so aus seinem Besitz verlieren, als hätte man es nie besessen“. Wir Menschen, auch wir Christen, sind von Natur aus sehr vergeßlich. Kaum haben wir Weihnachten gefeiert, das Fest des Von-Gott-beschenkt-werdens, verlieren wir diese kostbaren Erinnerungen meistens schon ein paar Wochen später, so als hätten wir sie nie besessen. Vergessen macht arm.
Gegen diesen Verlust, gegen das Vergessen hilft Danken. Psalm 103 macht uns den Zusammenhang deutlich: …vergiß nicht, was Gott dir Gutes getan hat…
Was eignet sich besser zum Erinnern und Danken als die Feste des (Kirchen-)jahres? Alle Feste, angefangen vom eigenen Geburtstag bis hin zu Weihnachten, wollen uns daran erinnern, daß Gott sowohl die große Menschheitsgeschichte als auch unser eigenes kleines Leben in seiner Hand hält und durch die Zeit führt.
Es ist nicht einfach, wiederkehrende Feste in ein neues Gewand zu kleiden, damit sie uns nicht verstaubt vorkommen und langweilig werden. Seit über 35 Jahren feiern wir Silvester und Neujahr als OJC-Gemeinschaft miteinander. Im Laufe der Jahre haben wir verschiedene Elemente entwickelt, den Jahreswechsel zu feiern, in die wir Sie gern mit hineinnehmen möchten.
Es ist wichtig, miteinander Schritte aus dem alten Jahr hinüber in das neue zu gehen. Dazu gehören auch das gemeinsame Putzen, Schmücken und Vorbereiten. Während eine Gruppe Musikstücke einübt und Lieder heraussucht, bereiten andere Spiele vor. Fackeln werden eingekauft und Mahlzeiten vorbereitet. Dabei macht sich langsam Festtagsstimmung breit.
Aber auch innerlich machen wir uns auf den Weg vom Alten ins Neue, indem wir – jeder für sich – in der Stille mit Hilfe einiger Fragen Rückschau halten und das hinter uns liegende Jahr bedenken:
Wir treffen uns im Wohnzimmer, singen Weihnachtslieder und lassen Arbeit und Geschäftigkeit hinter uns, um das vergehende Jahr zu verabschieden und die neue Zeit willkommen zu heißen. Die „gute Zeit“ ist uns am Christfest nahegekommen. Daran erinnern wir uns mit dem Kanon:
Seht, die gute Zeit ist nah,
Gott kommt auf die Erde.
Kommt und ist für alle da,
kommt, daß Friede werde.
Hirt und König, groß und klein,
Kranke und Gesunde,
Arme, Reiche lädt er ein,
freut euch auf die Stunde.
(EG 18)
In allem, was wir an diesem letzten Abend des Jahres tun, soll Gott im Mittelpunkt stehen. Ihn, unseren Vater, wollen wir feiern. Er hat uns in seiner Güte, Treue und Barmherzigkeit durch dieses Jahr geführt. Er hat es mit uns begonnen und wir wollen es mit ihm beschließen. Wir singen das Lied „Ich steh an deiner Krippe hier“, in dem es heißt „…ich komme, bring und schenke dir, was du mir hast gegeben. Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn, Herz, Seel und Mut, nimm alles hin und laß dir’s wohlgefallen…“ (EG 37)
Der Dank soll an erster Stelle stehen. In dieser vertrauten Runde kramt jeder von uns in seiner „Schatztruhe“ des vergangenen Jahres. Was da zum Vorschein kommt, sind fröhliche Erinnerungen, mutmachende Begegnungen, Bewahrung und Hilfe, die uns im letzten Jahr geschenkt worden sind. In der Gegenwart Gottes breiten wir diese Schätze voreinander aus, bestaunen sie und danken Gott für sein Handeln in unserem Leben. Jeder kommt zu Wort und zündet dabei als ein sichtbares Zeichen des Dankes ein Teelicht an. So wird der dunkle Raum zusehends heller und wir spüren, wie es durch das Danken in uns selbst heller wird. Immer wieder stimmt jemand spontan ein Weihnachtslied oder einen Dankchorus an, in den alle andern mit einstimmen.
Neben all dem Guten und Gelungenen wollen wir auch das Unfertige und Schwere dieses Jahres in Gottes Hände zurückgeben. Dazu gehen wir nach draußen in den Hof, wo schon ein Feuer brennt.
Wir stehen im Kreis drum herum und jeder kann das, was er nicht mit ins neue Jahr hineinnehmen will – Sorgen und Lasten, Schuld und Versäumnis – Gott anvertrauen und mit einem Holzscheit ins Feuer werfen. Dazu hören wir auf ein Gedicht von Jochen Klepper:
„Sieh nicht an, was du selber bist in deiner Schuld und Schwäche. / Sieh den an, der gekommen ist, damit er für dich spreche… Sieh nicht, wie arm du Sünder bist, der du dich selbst beraubtest. / Sieh auf den Helfer Jesus Christ! Und wenn du ihm nur glaubtest, daß nichts als sein Erbarmen frommt / und daß er dich zu retten kommt, darfst du der Schuld vergessen, / sei sie auch unermessen…
Aus Jochen Kleppers Weihnachtslied, in: KYRIE, S.29
Dieses Abgeben und Loslassen macht tatsächlich frei und leicht, so daß wir gelassen in das Kommende schauen und miteinander das Lied „Nun vergeßt der Traurigkeit“ anstimmen können:
1. Nun vergeßt der Traurigkeit, /kommt mit freudigem Verlangen, /euer Stern ist aufgegangen, /euer Trost bereit.
2. 2. Die gewartet und gewacht, / Wanderer im Tal im Dunkeln, /blickt empor und schaut das Funkeln / mitten in der Nacht.
3. Seht den Boten, seht den Stern! / In die Schatten, ins Gefängnis / eurer Blindheit, eurer Bängnis / schallt der Ruf des Herrn.
4. Fürchtet nicht und seid gewiß: / weil ihr euch verloren wähntet, / trat das Licht, das ihr ersehntet / vor die Finsternis.
5. Bringt dem Sohn die Gaben dar, / Seufzer, Drangsal, Angst und Plagen / werft auf ihn, er will sie tragen, / er heißt: Wunderbar.
6. Kniet zur Krippe, da er liegt, / Gott aus Gott, für euch gegeben, / euer Bruder, Heil und Leben, /der den Tod besiegt,
7. euern Tod und allen Tod, / eure Sorg und alle Sorgen: / Krippe, Kreuz und Ostermorgen, / was hat’s weiter not!
(Rudolf Alexander Schröder)
Das geschieht zuerst einmal durch ein ausgedehntes, fröhliches Festessen. Dann sammeln wir uns wieder im Wohnzimmer, wo wir ausgelassen feiern mit Musik, Geschichten und Spielen. Wir haben viel zu lachen, denn die Sorgen sind entmachtet und die frohen Erinnerungen an die Schätze des vergangenen Jahres sind noch ganz nah. Das macht es leichter, mit kindlichem Vertrauen in das Neue zu blicken und von Gott Gutes zu erwarten. Mit dem Kanon „Es hat nun die Nacht ihre Macht verloren“ singen wir es uns gegenseitig tief in das Herz hinein, denn diesen Schatz wollen wir nicht wieder verlieren.
In der letzten halben Stunde des Jahres versuchen wir, noch einmal ruhig zu werden und warten auf das Läuten der Kirchenglocken, die das neue Jahr ankündigen.
Wir beten miteinander:
Dein ist das Jahr, dein ist die Zeit.
Dein, Gott, ist alle Ewigkeit.
Dein ist die Welt, auch wir sind dein;
kann keins hier eines andern sein.
Dein ist der Tag und dein die Nacht,
Dein, was versäumt, dein, was vollbracht.
So gehn wir, Gott, aus dem, was war,
getrost hinein ins neue Jahr,
ins Jahr, dem du dich neu verheißt,
Gott Vater, Sohn und Heilger Geist.
(Arno Pötzsch)
Und während die Kirchenglocken um Mitternacht läuten, singen wir gemeinsam „Großer Gott, wir loben dich“ (EG 331) Wir gehen hinaus in die Nacht und wünschen einander Gottes Geleit im neuen Jahr. Die Feuerwerke durchbrechen das Dunkel des Himmels, als wollten sie dem ersten Morgen des neuen Jahres zuvorkommen und unseren Dank in den Himmel trag
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