Danken ist nix für Dumme

Danken ist nix für Dumme

Eine Übung, die den herben Alltag versüsst

Predigt von Hermann Klenk

Es sind nicht die die Reichen, die viel in ihre Scheunen sammeln, sondern die, welche Gott danken - sagte einst Albert Schweitzer.
Danken ist das Geheimnis, das jeden von uns in einen reich Beschenkten verwandelt. Die meisten wissen längst um dieses Geheimnis und haben viel darüber gehört, und doch müssen wir es immer wieder neu entdecken.

Luise Reddemann, Fachärztin für Psychotherapie: Bei vielen meiner Patienten hat Dankbarkeit keine "gute Presse". Es erinnert sie daran, dankbar sein zu müssen für Dinge, die sie gar nicht wollten. ... Aber aus der Forschung ist bekannt, dass Dankbarkeit eine Wohltat ist, ja mehr noch: Menschen, die dankbar sein können, fühlen sich besonders wohl.
Und noch etwas hat sie beobachtet: Menschen, die danken können, entwickeln die Fähigkeit, trotz schwerer Belastungen immer wieder Kräfte mobilisieren zu können, die ihnen helfen, sich nicht auf Dauer von dem Schweren dominieren zu lassen.
Was die Psychotherapie heute bestätigt, wusste König David schon vor 3000 Jahren. Deshalb betete er in seinen Psalmen: Vergiss nicht, was ER dir Gutes getan hat!

Dem Vergessen entreißen

Für ein Geschenk nicht zu danken, lässt es in die Gleichgültigkeit abrutschen, ich bemerke es gar nicht, ich vergesse es. Im Hebräischen hat das Wort vergessen die Beutung von "etwas aus seinem Besitz verlieren, als hätte man es nie besessen".
Meine Hände und mein Herz bleiben leer - obwohl ich beschenkt worden bin; es ist, als sei das Geschenkte ausgelöscht aus meinem Leben. Ohne Dankbarkeit wird mir alles selbstverständlich und alltäglich, ich kann nicht mehr staunen und sehe nur noch, was mir fehlt und was ich nicht bekommen habe.

Wer Dank opfert, der preist mich und das ist der Weg, dass ich ihm zeige mein Heil, heißt es im 50. Psalm. Wer das beherzigt, weiß, dass er sich letztlich Gott verdankt mit allem, was er ist und hat und was er sich leisten kann. Einem solchermaßen denkenden und dankenden Menschen öffnet Gott die Augen für seine liebenden Wege mit ihm und auch für seinen Weg mit dieser Welt: wie Er sie aus ihrer Zerrissenheit herausführen und in die Vollendung seines Reiches bringen will.

Für was oder für wen kann ich aus ganzem Herzen und ohne zwiespältige Gefühle dankbar sein?

Jeder ein Beschenkter

Der Apostel Paulus schreibt in seinem Brief an die Gemeinde in Ephesus: Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns mit allem himmlischen Segen gesegnet hat. In Ihm hat er uns auserwählt von Anbeginn der Welt ... in seiner Liebe hat er im Voraus beschlossen, uns durch Jesus Christus als seine Söhne und Töchter anzunehmen ... und durch Ihn wurden wir auch zu Erben berufen.
Können wir uns vorstellen, was es bedeutet, Kindrecht bei Gott zu haben?

Meine Enkelkinder kommen ganz selbstverständlich zu mir und fragen vertrauensvoll: Opa, kannst du mit mir Mathe machen? Fährst du mich zum Sport? Hast du ein Stück Schokolade? Ihnen kommt gar nicht der Gedanke, dass ich es ablehnen könnte. Und sie dürfen so fragen! Sie wissen, dass sie zu meiner Familie gehören und dass sie dieses Recht haben.

Und wir? Wir gehören zur Familie Gottes; Gott selbst hat uns in dieses besondere Verhältnis zu sich gesetzt, ohne dass wir etwas "dazubringen" mussten. Ihm liegt alles an der Gemeinschaft mit uns, Er hat sich mit uns und mit der ganzen Welt versöhnt.
Gott ist uns gut, wir sind jederzeit bei Ihm willkommen. Unabhängig davon, ob wir gerade "ordentlich" kommen oder unser Leben eher nicht geordnet ist. Nichts darf uns davon abhalten, unser Kindrecht in Anspruch zu nehmen. Dieses Wunder dürfen und sollen wir immer wieder bestaunen und bedanken.
Und mehr noch: nicht nur, dass wir in diesem besonderen Verhältnis zu Gott stehen, er hat auch jeden von uns beschenkt - mit Gaben, Talenten und Fähigkeiten.
In einem Spiel wurden wir neulich gebeten, einander unsere größte Stärke zu verraten. Es war gar nicht so einfach, sich der eigenen Stärken und Gaben bewusst zu werden und das dann auch noch jemandem zu sagen.

Trotzdem gilt: Jeder von uns hat Gaben bekommen - die einen sind musikalisch, andere hervorragende Analytiker. Die einen sind Unterstützer, andere innovativ. Einige sind gute Redner, andere gute Zuhörer. Und die meisten von uns haben mehrere Gaben.
Im Danken wird aus der Gabe ein Segen - für uns und für andere. Arm ist der, der das Gute, das er geschenkt bekommen hat, nicht sehen und annehmen kann, sondern abwehren und klein machen muss.

Für welche meiner Gaben und Stärken kann ich freudig DANKE sagen?

Für alles danken?

Nicht alles, was uns widerfährt, erscheint uns dankenswert. Im Gegenteil, wir erfahren Druck, Ängste, Sorgen und sehen uns Unlösbarem gegenüber. Es gibt Geschehnisse, die wir nicht verstehen, Krankheit, Trennung, Tod. Die Angst, es könnte nicht reichen, die Sorge, wir schaffen es nicht, wir sind zu wenige, die Kraft ist zu klein, die Probleme zu mächtig...
Meine Erfahrung ist: Wenn ich mich trotz dieser Dinge entscheide, mit Danken zu beginnen, öffnet sich eine unsichtbare Tür und ich komme aus dem Gefängnis meiner Sorgen und Ängste heraus, ich werde zu einer neuen Sicht auf die Dinge befreit. Mein Blick ändert sich: weg von mir, von meinem Mangel und meinen Unmöglichkeiten - hin zu Gott, zu Seinen Gaben und Möglichkeiten. Die Widerstände lösen sich möglicherweise nicht auf, jedenfalls nicht gleich, aber sie verlieren an Macht, vor allem an Macht, mich zu entmutigen, zu lähmen und mein Denken zu blockieren. Ich schöpfe neuen Mut, dass Gott auch in dieser Situation und auch morgen noch handeln wird.

Welche Nöte und schweren Situationen hindern mich am Danken? Kann ich sie aufschreiben und in das Licht Gottes halten, damit Er sie entmachtet?

 

Praktische Übungen

 

Danken für den Tag

Dankbarkeit fällt nicht vom Himmel. Sie ist weniger ein Gefühl als vielmehr eine Entscheidung und sie muss eingeübt werden. Dazu gibt es eine Übung aus dem Klosterleben. Jeden Abend soll man Bilanz ziehen: welche drei Dinge waren heute besonders schön und gelungen? Wie kam es dazu bzw. wem verdanke ich diese Erfahrung? Und dann schreibt man in Gedanken oder in der Realität einen Dankbrief an diese Person.

Meine Frau und ich machen das ähnlich. Wir erzählen uns vor dem Schlafengehen noch gegenseitig ein oder zwei Begebenheiten vom Tag, für die wir dankbar sind, und spüren das Glück, das uns darin widerfahren ist. Das lässt uns viel entspannter einschlafen, als wenn Sorgen oder Unerledigtes das letzte Wort haben.

Danken für die Woche

Jeden Tag um 12.00 Uhr halten wir in unserer Gemeinschaft das Mittagsgebet als ein Fürbittgebet für die Nöte in der Welt und in unserer Gemeinschaft. Nur am Freitag weichen wir von dieser Liturgie ab. Da beten wir miteinander Psalm 103 und erzählen uns von den großen und kleinen Wundern und Gebetserhörungen der vergangenen Woche. Die sind uns zwar oft nicht so präsent wie die Bitten und Nöte, aber nach einigem Nachdenken fällt doch jedem etwas ein. Für jeden dieser Dankpunkte zünden wir ein kleines Teelicht an und können zusehen, wie das Danken den Tag und die ganze Woche hell macht.

Danken für das Jahr

Auch zur Silvesterliturgie unserer Gemeinschaft gehört die Dankrunde. Nach fröhlichem Essen und ausgelassenem Feiern treffen wir uns in kleinen Gruppen, um das alte Jahr noch einmal zu überdenken und einander an den guten Erlebnissen und kostbaren Erinnerungen Anteil zu geben und gemeinsam dafür zu danken. Das hilft uns, die vergangene Zeit in Gottes Hände abzugeben, um Neues empfangen zu können.

Welches Ritual kann mir helfen, der Dankbarkeit einen festen Platz in meinem Alltag, im Leben meiner Familie zu geben?

Geht als Gesegnete

Dankbarkeit macht unser Herz weich und weit, bereit zu geben und zu vertrauen, dass Gott uns nicht leer ausgehen lässt und wir nicht zu kurz kommen.

Wie von selbst öffnet uns Dankbarkeit die Hände, macht uns zur Hingabe bereit und lässt uns teilen, was uns gegeben wurde.

Fulbert Steffensky, ein erfahrener Religionspädagoge, schreibt dazu: Man kann sich Geiz und Dankbarkeit nicht zusammen vorstellen. Der Geiz verkrallt sich in sich selber, die Selbstsucht sucht - wie ihr Name sagt - nichts anderes als sich selber. Dankbarkeit und Gerechtigkeit, Dankbarkeit und Liebe aber sind Geschwister. Man kann nicht für das eigene Brot danken - und es allein essen. Denn alles Leben ist teilen und mitteilen. Wer die Gaben des Lebens für sich allein behält, beraubt nicht nur seine Geschwister, der vereinsamt sich selbst.

Jedes Mal, wenn wir zusammen Abendmahl feiern, wird mir dies deutlich: Jesus nahm ein kleines Stück Brot, eine halbe Matze, dankte, teilte sie - und es reichte für alle. Es war genug, seine Jünger miteinander zu versöhnen und mit Ihm zu verbinden und ihnen seinen Frieden mitzugeben.

Wenn er seinen Jünger das Brot reicht mit den Worten: "Nehmt und esst - mein Leib... für euch", sagt er ihnen: Das bin ich.

Hier geht es nicht um die Materie Brot, sondern um sein Leben. Er gab nicht nur etwas von sich, sondern er gab sein ganzes Leben für seine Jünger und für die Welt. Dazu ruft er auch uns, ermutigt uns zum Empfangen und zum Teilen, zum Danken und zur Hingabe. So kommt sein Segen in die Welt.

Das Letzte ist ein Danken

Das Letzte ist ein Danken,

ein Danken ohne End.

Herr, alle meine kranken

Gedanken dahin wend.

 

Das Letzte ist ein Lieben,

ein Lieben ohne Maß.

Herr, den ans Kreuz getrieben,

dein Lieben, schenk mir das.

 

Das Letzte ist ein Freuen,

ein Freuen, das sich freut,

aus einem immer neuen

Freuen in Ewigkeit.

 

Heinrich Vogel

Von

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