Geburtstagsbrief an Horst-Klaus Hofmann
Reichelsheim, den 20. November 2008
Am 20. November vollendest Du Dein achtes Lebensjahrzehnt. Du wirst 80, das will nicht recht in meinen Kopf. Wenn ich an Dich denke, habe ich einen quicklebendigen Menschen vor Augen mit hellwachem Geist, voller jugendlicher Neugier und fröhlicher Zuversicht, die sich in der Gegenwart des auferstandenen Christus weiß, und einer ungeheuren kreativen Kraft, die mich so manches Mal aus der Puste brachte.
Kürzlich trafen wir uns bei der Jahrestagung der Paul-Schütz-Gesellschaft, der Du vorstehst. Prof. Dr. Ulrich Wilckens, ein paar Wochen älter als Du, hielt den Hauptvortrag über die Gültigkeit des biblischen Wortes vom Kreuz. Die eindringliche Rede des ehemaligen Kommunitätenbischofs hat uns in seiner theologischen Weite und Klarsicht sehr berührt und ermutigt. Ich konnte nur dankbar staunen über die ungebrochene Leidenschaft, mit der Deine Generation sich für die Wahrheit des Evangeliums einsetzt und die Retterliebe Gottes zu uns Menschen zum Leuchten bringt. Dieser Geist hatte mich und viele andere ruhelose "Achtundsechziger" auf der ersten Schüler- und Studentenkonferenz angesteckt und für das Abenteuer des Reiches Gottes gewonnen.
Du hast uns "Entflammte" mitgenommen auf einen spannenden Weg der Veränderung. Aus dem Zündfunken der Hoffnung wuchs das Feuer einer Lebensberufung. 23 Deiner "alten" Weggefährten haben im 40. Jahr des Bestehens der OJC ihre Berufung mit einem Bundesversprechen festgemacht und sich zur Kommunität auf Lebenszeit zusammengeschlossen. Ohne Deine und Irmelas Entscheidung, Platz zu schaffen in Eurem Leben für uns jungen - mehr oder weniger frommen - Wilden, wäre es nie dazu gekommen. Wer weiß, was aus uns geworden wäre? Du hast Deinen Anteil daran, dass einige damals ihr Leben nicht weggeworfen haben.
Über das Reiz-, Heil- und Wachstumsklima Großfamilie gäbe es viel zu erzählen. Das Wichtigste für mich war zu entdecken, dass Gemeinschaft zur Grundkonstante des Christseins zählt. Von Apostelgeschichte 2,42 über Zinzendorf und Luthers Wort von der Kirche, die der Herr geschaffen hat, damit keiner allein wider den Teufel stehe, bis zu Bonhoeffers gemeinsamem Leben - die Herausforderung hieß, das Geglaubte in die Lebenspraxis umzusetzen. Nur da, wo das Wort Fleisch wird, ist es glaubwürdig und ansteckend. "Wir werden Ausstrahlung haben, solange wir aufrichtig vor uns und miteinander sind. Aus unseren Fehlern kann man viel mehr lernen, als aus unseren 'großen Erfolgen', schriebst Du uns ins Stammbuch. Das bleibt gültig!
Herzerfrischend war Deine Nüchternheit über die menschliche Natur. Wie nebenbei konntest Du mit einem treffenden Satz einem aufgeblasenen Ballon den Druck nehmen. Einmal zierte ich mich, bei einer öffentlichen Veranstaltung die Leitung zu übernehmen und hielt das für besonders bescheiden. Du kontertest: "Dir fehlt die Demut!" Das war mir eine Lehre fürs Leben.
Viel Kostbares hast Du uns ins Fundament gegeben. In unzähligen Bibelstudien hast Du die Liebe zum Wort Gottes - "tief wie ein Wasser, in dem Elefanten schwimmen und Lämmer waten können" - in uns genährt.
Wie der "gute Hausvater" hast Du aus dem Schatz Deines Wissens der Welt- und Kirchengeschichte sowie der Literatur immer wieder "Neues und Altes hervorgeholt" (Mt 13,52) und uns in geistlicher Geländekunde geschult. Ich habe es als Dein Charisma empfunden und als Glück für die OJC, dass Du theologischer Laie geblieben bist. Das hat Dir einen unbefangenen Umgang mit den jeweils neuesten geistigen Strömungen bewahrt. Zielsicher hast Du Dir aus dem Gelesenen (Du warst stets auf der Höhe!) die Einsichten herausgefischt, die etwas vom Goldstaub des Ewigen an sich trugen und Dir zukunftshaltig und lebenstauglich erschienen. Dir ging es nie um Lehrsysteme oder Theorien, sondern immer darum, "wie eine nächste Generation weiterleben" und glaubwürdig mit dem Evangelium erreicht werden kann - in der Sprache und im Denken von heute. Dieses Bonhoeffer-Wort war Dein Leitmotiv und ist es für viele andere geworden.
Mit Deiner theologischen Spürnase hast Du auch so manchen anstößigen und vergessenen Querdenker uns und einer breiteren Öffentlichkeit neu bekannt gemacht - wie den Theologen Paul Schütz und die Sprachdenker Friso Melzer und Rosenstock-Huessy.
Auch etwas vom kämpferischen Mut der alten Propheten lebt in Dir. Kein Wunder, dass Gott Dir einen apologetischen Auftrag anvertraut hat (2 Kor 10,5 ist gerade Tageslese!). Immer wieder hast Du in Kirche und Gesellschaft Unbequemes ausgesprochen, wenn Du davon überzeugt warst, dass es dran war.
Für Dich gehörten persönlicher Glaube und Weltverantwortung zusammen wie die beiden Flügel eines Vogels. Begeisterungsfähig und ohne Berührungsangst hast Du uns die interessantesten und kuriosesten Gäste aus allen Ecken der Welt ins Haus gebracht. Mit ihnen kamen der Reichtum und die Nöte ihrer Herzen und ihrer Länder zu uns und forderten unsere Verantwortung. Einige wurden Freunde fürs Leben.
Lieber Horst, Gott hat Dir ein langes und ertragreiches Leben geschenkt, von dem reicher Segen auf unzählige Menschen ausgegangen ist; solche, die Dir bekannt sind und solche, von denen Du es erst im Himmel erfahren wirst.
Der himmlische Vater, den Du gerne einen "Schenkegott" genannt hast, hat Dir 51 Ehejahre mit Irmela ermöglicht und mehr als 33 Jahre gemeinsamen Lebens mit Deinen Weggefährten, zu denen auch ich gehören durfte. Ich - wir verdanken Dir unendlich viel!
Im Namen meiner Geschwister, der "alten" wie der neu Hinzugekommenen, möchte ich Dir von Herzen danken, dass Du zusammen mit Irmela den Mut hattest, Dich auf uns einzulassen mit Haut und Haaren, uns ganz ernst zu nehmen in unserem Fragen und unserer Spurensuche. Wir sind der lebende Beweis dafür, dass Euer Leben bleibende Frucht hervorgebracht hat.
Ich danke Gott, dass ich Dir begegnet bin.
In herzlicher Verbundenheit,
Deine Angela
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