Sebastian Lang aus Bad Wimpfen verbrachte sein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Jugendzentrum, wo er sich als Hausmeister und in der Jungschar engagierte. Obwohl er - als Ältester von fünf Brüdern - viele Erfahrungen von "gemeinsamem Leben" aus seiner Familie, dem Jugendkreis und der Gemeinde mitbrachte, hielt doch das OJC-Jahr auch für ihn einige Überraschungen bereit.
Sebastian Lang fasst sich kurz. Ein FSJ-Bericht
Im Herbst 2006 startete ich ambitioniert mein FSJ im Jugendzentrum. Davor hatte ich hart geackert, um die Fachhochschulreife zu erwerben. Jetzt freute ich mich riesig auf ein Jahr weg von meinem gewohnten Umfeld. Ich wollte einfach mal was anderes erleben und lernen, meinen Glauben ganzheitlicher zu leben. Er sollte mehr Auswirkungen auf mein Leben und mein Umfeld haben, fand ich. "Dieses Jahr wird voller Herausforderungen stecken und es wird sich lohnen", so schrieb ich mir in den ersten Tagen auf.
Am Anfang des Jahres hörten wir eine Bibelarbeit zu Römer 12,1 und 2: "Bleibt Originale, lasst euch nicht schematisieren" - das blieb hängen. Mir wurde klar, wie wichtig es ist, dass ich ich selbst bin, eben ein Original, dass ich zu mir stehe. Der Alltag war dann eine gute Übungsmöglichkeit, diese neue Erkenntnis in die Tat umzusetzen.
Ich lebte nämlich mit drei weiteren Freiwilligen in einer Wohngemeinschaft, jeweils zwei in einem Zimmer. Die anderen hatte ich vorher noch nie gesehen. Ich war mit 23 Jahren auch hier der Älteste und hatte als einziger bereits in einem eigenen Haushalt gelebt. So fühlte ich mich von Anfang an als "großer Bruder", als der Erwachsene, der schon (fast) alles weiß. Bei den anderen spürte ich so eine gewisse "Unvernunft" oder auch "Lässigkeit", die ich gar nicht verstehen konnte.
Oft hatte ich das Gefühl, ich müsste ihnen sagen, was zu tun sei. Wenn ich mich dann über herumliegende Sachen beschwerte oder ans Putzen erinnerte, wurde ich nicht immer gern gehört, was unsere Atmosphäre störte. Das brachte mich auch in einen Konflikt mit mir selbst, denn eigentlich wollten wir doch ein ebenbürtiges Verhältnis miteinander. Theoretisch wusste ich schon, wie unser Miteinander ausgeglichener sein könnte: mehr Offenheit. Doch die wünschte ich mir oft mehr, als dass ich sie selbst praktizierte. Denn eine meiner Taktiken war, mich zurückzuziehen. Mir fiel es schwer, mein Inneres zu zeigen und ich hatte auch etwas Angst davor. Mein Mentor sagte mir einmal, ich solle üben, den anderen die "Höhle meines Inneren" zu zeigen, also das, was mich beschäftigt, mich stört und oder mir Freude macht.
Zum Beispiel wünschte ich mir mehr Ordnung im Wohnzimmer, wo manche ihre Sachen über längere Zeit einfach liegen ließen. Auch achtlos herumstehende Reste einer Mahlzeit konnten mich fast wütend machen. Das zu sagen und mich den anderen mit meinen Wünschen zu zeigen, fiel mir schwer. Ich war es nicht gewohnt, meine Gefühle zu zeigen - und Wut schon gar nicht. Ich hatte regelrechte Angst davor, Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, denn ich wollte nicht auffallen und ja nichts falsch machen.
Das gemeinsame Leben war für mich Raum zum Redenlernen. Auch wenn ich diese Möglichkeit nicht immer nutzte, konnte ich doch manchmal über meinen Schatten springen. Einmal zum Beispiel war ich gereizt und schlecht aufgelegt und merkte, dass ich mit einem meiner FSJ-Brüder sehr schroff und verletzend umgegangen war. Ich überwand mich dann noch am selben Abend und ging zu ihm, um mein Verhalten anzusprechen und ihn um Vergebung zu bitten. Das fiel mir nicht gerade leicht und mir kamen vorher alle möglichen Ausreden in den Sinn, warum es unnötig sei, aber ich tat es doch und es lohnte sich und half uns beiden.
Wir hatten auch jede Woche "Männeraustausch", bei dem jeder die Möglichkeit hatte, im geschützten Rahmen offen von sich zu erzählen. Diese Abende sind mir sehr wertvoll geworden, weil wir uns dort noch viel tiefer begegneten.
Auf der anderen Seite merkte ich auch, dass es wichtig ist, eigene Freiräume zu haben. Ich musste lernen, mich abzugrenzen und das den anderen so zu sagen, dass sie es nicht als Abweisung empfinden. In dem gefüllten gemeinsamen Leben war es eine ständige Herausforderung für mich, eine gute Balance zwischen Zusammen- und Alleinsein zu halten.
Und dann die Arbeit - bei mir ging es rund um Haus und Hof zur Sache: Hof kehren, Müll aufsammeln und leeren, Hecke schneiden, Holz sägen, anderen zur Hand gehen... Alles in allem ein vielseitiger Job, der mich manchmal aber auch einfach anödete. Oft fand ich meine Tätigkeit unwichtig, es gab doch viel "höhere" Aufgaben, die ich hätte tun wollen. Aber es war ein gutes Lernfeld, mir zugeteilte Aufgaben auszuführen, selbst wenn ich dazu keine Lust hatte, weil ich entdeckte, dass bei meiner Unzufriedenheit oft mein Stolz mitspielte und das Vergleichen mit anderen, die es - wie ich fand - "besser hatten".
Bei der Arbeit und im gemeinsamen Leben gab es viele Bereiche, in denen ich genügen wollte, es oft jedoch nur schwer konnte. So musste ich lernen, dass nicht alles von meiner Leistung abhängt und es nicht darum geht, es allen recht zu machen. Sondern, dass es wichtiger ist, mich in das, was ich mache, mit meinem ganzen Sein hineinzugeben und dabei die richtigen Prioritäten zu setzen. Da war das Versagen nicht weit, aber auch das lernte ich: ich darf versagen, ich darf auch mal etwas falsch machen. Nur ist es dann wichtig, es mir und den anderen auch einzugestehen.
Ich habe das gemeinsame Leben als einen gewissen Schutzraum erlebt. Jetzt - im Studium - bin ich zwar nicht schutzlos, aber doch mehr dem gesellschaftlichen Leben ausgesetzt. Immer wieder merke ich auch hier meine Grenzen von Wollen und Tun. Auch hier hängt es von mir ab, dass ich mich nicht verstecke oder verkrieche, sondern meinen Platz ausfülle und zu mir stehe.
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