von Annika M.
Unsere erste gemeinsame Aktion als Schlossfrauen in der OJC war die Befüllung des Kühlschranks. Zu viert schoben wir den Einkaufswagen durch die Regale des örtlichen ALDI. Eifrig wurde alles, was Spaß macht, ergriffen und verstaut. Ich beobachtete diese Entwicklung mit zunehmendem Missfallen. Vor dem Gemüseregal ergriff Tine dann treffsicher die Bio-Paprika und ließ das Päckchen im fahrenden Gestell verschwinden. Mein Blick fiel aufs Preisschild und meine Kinnlade vor Entsetzen auf den Boden. Ich ließ meinem Ärger freien Lauf – die halbe Kundschaft wurde auf unseren Streit aufmerksam...
Die Paprika wurde widerwillig ausgetauscht. Aber ich bekam Angst, dass ich Tine aus den Augen verliere und nur noch sehe, was uns beide trennt. Ich wähnte mich mit meiner Sparsamkeit natürlich im Recht, aber der Wunsch, Tine als Geschenk an mich zu entdecken, war groß genug, das Thema Geld wenigstens herzlich willkommen zu heißen.
Im Laufe der Wochen wurde mir dann klar, dass meine als Tugend gerechtfertigte Sparsamkeit in Wahrheit übler Geiz war. Weil durch die Selbstständigkeit meines Vaters Geld in meiner Familie eine sehr unsichere und nicht selten knappe Angelegenheit war, sammelte ich es nun.
Mir wurde allmählich bewusst, dass Geld zu haben, meiner Seele Sicherheit und Frieden versprach. Darum wollte ich so viel beiseitelegen, wie ich nur konnte. Das ließ meine WG natürlich nicht unberührt. Mein Geiz herrschte eisern über unserem Tisch. Bei allen Mahlzeiten kontrollierte und rechnete ich unentwegt, wer sich wie viel Nutella aufs Brot schmierte. Weil ich weniger nahm, kam es mir vor, als würde ich bestohlen. Was ich mir selbst vorenthielt, konnte ich auch den anderen nicht gönnen.
Langsam öffnete sich mein Herz einem ehrlichen mich Hinterfragen. Aber was ich dort von den anderen über mich gespiegelt bekam, schockierte mich.
Wie konnte ich denn wegen 10,32 € für einen Kasten Direktsaft so viel Wut, ja Hass entwickeln, dass es beim Einschlafen mein letzter und beim Erwachen der erste Gedanke war? Und das gegen Menschen, die ich doch eigentlich liebte! Ich war beschämt und verzweifelt, weil ich den Geiz nicht einfach ablegen konnte.
In Gesprächen wurde ich auf Dinge wie hochprozentige Schokolade aufmerksam gemacht, für die auch ich bereit war, mehr Geld auszugeben, als unbedingt nötig. Das weckte in mir allmählich etwas mehr Verständnis für Tines Nutella.
An einem WG-Abend konfrontierte mich unsere Schlossmutter Heidi mit der ehrlichen und mutigen Frage bezüglich des gemeinsamen Essensgeldes: „Meinst du nicht, dass du dir etwas nimmst, was dir nicht mehr gehört, weil es euch zum gemeinsamen Genuss anvertraut ist?“ Plötzlich wurde mir klar, dass ich alles, was ich horten wollte, nicht sparte, sondern zweckentfremdete, es gewissermaßen stahl! Wozu horten? Ich wollte doch lernen, Gott zu vertrauen, dass er mich versorgen wird. Wir beschlossen, die WG-Kasse neu zu organisieren. Bisher hatten wir nur die Ausgaben geteilt, jetzt zahlte jeder einen festen Betrag ein, den wir auch ausgeben wollten. Ich musste mich also gleich von meinem Schein verabschieden, ohne am Essensbudget zu knapsen. Meinem Geiz war der Nährboden entzogen. Um ihn loszuwerden, musste aber etwas an seine Stelle treten.
Im Schloss ist es üblich, dem Geburtstagskind die Bedeutung seines Namens als Segen zuzusprechen. Mein Name wurde mir neu bewusst: Gott ist großzügig. Gott ist großzügig mit mir, er wird für mich sorgen. Gott ist großzügig in mir, ich darf in seine Großzügigkeit hineinwachsen.
Dass wir Frauen einander in dem gemeinsamen Jahr nie aus den Augen verloren haben, empfinde ich als Geschenk Gottes. Er war die Mitte, auf die wir zugingen. Er ließ uns im Gespräch immer neue Wege zueinander suchen und finden. Und jetzt genieße ich eine für mich völlig neue Freiheit im Umgang mit Geld. Ich muss es nicht mehr horten, ich darf es beherzt ausgeben, weil er mich und andere damit beschenken möchte. Es geht durch meine Hände – es darf weiterfließen.
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