Heißer Wind weht durch die offenen Türen herein. Drinnen sitzen dreißig Männer und Frauen in einem Kreis und sind in ein Gespräch vertieft: Aus ganz unterschiedlichen Teams kommend, arbeiten alle an der Unterstützung der indigenen Gemeinschaften im „Großen Chaco“. Diese riesige Ebene liegt im Herzen Südamerikas, wo die Grenzen von Argentinien, Paraguay und Bolivien aufeinanderstoßen.
Seit 1979 versammeln sich Katholiken, Baptisten, Mennoniten, Lutheraner und Methodisten. In den alten Dokumenten heißt es ganz schlicht: „Es nehmen diejenigen teil, die sich, durch ihren christlichen Glauben motiviert, den indigenen Völkern im Großen Chaco mit Liebe und Respekt nähern möchten. Die Treffen dienen dazu, unsere Erfahrungen zu teilen, Lösungen zu suchen und uns gegenseitig zur Hoffnung zu ermutigen.“
Es kommen Frauen wie Mercedes, eine hagere, betagte Geschichtslehrerin, die kein Wort zu viel spricht. Sie lebt gemeinsam mit zwei anderen katholischen Laienschwestern inmitten der Tobas und unterrichtet an einer Lehrerausbildungsstätte. Dann ist da Jorge aus Uruguay: Er gehört zur methodistischen Kirche. Seit bald 30 Jahren lebt er mit seiner Familie im tiefen Inland in Nordargentinien und hat sich noch vor keinem Projekt gefürchtet: Mal waren es Wasserspeicher, mal Fischzucht, mal Landwirtschaft, mal Landrechte. Marcelo ist Baptist. Nach dem Wunsch seiner Kirchenleitung baute er Baptistenkirchen unter den Tobas, bis er zu der Überzeugung gelangte, dass es nicht um bestimmte Kirchenmitgliedschaften, sondern nur um die Förderung eigener Strukturen unter den indianischen Christen gehen kann.
Hoffnung, das haben alle bitter nötig! Es gibt so viel Ausgrenzung, Ungerechtigkeit und Not unter den indianischen Völkern, so viel Verunsicherung, Fremdheit und Fragen zur eigenen Rolle. Die Gräben zwischen den Konfessionen sind tief. Einige Mutige gingen dennoch das Wagnis ein, sich auf den mühsamen Weg zu denen aus anderen Kirchen zu machen. Sie wollten sich nicht mit dem Misstrauen und den Vorurteilen abfinden. Bereits 1992 wurde dokumentiert: „Das Treffen schafft einen ökumenischen Raum, den wir unbedingt erhalten müssen. Wir erleben soviel Geschwisterlichkeit, soviel Freiheit, uns auszudrücken.“
Die Themen auf den Treffen werden durchaus kontrovers diskutiert, aber die Bereitschaft zum Respekt ist groß. Die Missionare erkannten: „Wenn wir dem Evangelium treu sein wollen, dann dürfen wir nicht die Konflikte unserer Kirchen untereinander in die Begegnungen mit den indianischen Christen verlagern. Das wird sie verwirren und verunsichern.“
1996 resümiert eine Teilnehmerin: „Die Unterschiede haben uns bereichert. Heute wissen wir, dass unsere Organisation oder Kirche nicht das Reich Gottes ist.“
Beinahe 20 Jahre Wegstrecke lagen schon hinter den Mutigen, als Mercedes auf einem Treffen das Wort ergriff: „Freunde, tragen wir nicht schwer am Erbe des Misstrauens, der Konkurrenzkämpfe, der Zusammenstöße und gegenseitigen Verfolgungen unserer Kirchen? Ein alter Toba hat mir erzählt, dass es hier eine Gegend gibt, die sie „Monte cerrado“ nennen. Das bedeutet verschlossener Urwald, weil es dort unmöglich ist, durchzukommen. Darum kletterten die Leute aus seinem Volk dort von Baum zu Baum. Sind wir hier auf diesen ökumenischen Treffen nicht wie diese Baumkletterer? 1979 haben einige von uns einen Weg zueinander gesucht. Heute frage ich: Sind wir jetzt nicht auch so weit, das Heilige miteinander zu teilen, also das Abendmahl zusammen zu feiern?“
In der Runde damals wurde es still. Dann standen eine katholische Schwester, ein Mennonit und ein Baptist auf und brachen das Brot und teilten den Wein aus.
Seitdem werden die Treffen jährlich fortgesetzt, die gemeinsame Abendmahlsfeier ist zum zentralen Ereignis geworden. Diese erfahrene Verbundenheit hat wesentliche Auswirkungen auf die Arbeit im Netzwerk. Auf den weiten Wegen zwischen den verschiedenen Lebens- und Wirkungsorten sind die Missionare einander Raststätte: Wer bei Mercedes übernachtet, wird im winzigen Oratorium einquartiert. Bei Angelika gibt es kühles Wasser aus der Zisterne, Mate bei Jorge im staubigen Hof. Es weht ein neuer Geist im Chaco, ein Geist der Güte und der Einheit.
Mit der Kolonialisierung Südamerikas ging die Christianisierung durch die katholische Kirche einher. Bis 1994 war es in der argentinischen Verfassung erklärtes Ziel, die indigenen Völker zu „zivilisieren und zu katholisieren“. Evangelische Kirchen kamen erst im 19. Jahrhundert ins Land. In neuester Zeit haben die ev. Freikirchen, im besonderen die Pfingstkirchen, große Bedeutung gewonnen. Die evangelischen Christen litten lange unter Verfolgung und Benachteiligung. Nach wie vor ist eine Zusammenarbeit der Konfessionen schwierig. Im nordargentinischen Chaco gibt es eine einzigartige Bewegung, in der es aufgeschlossenen Menschen gelingt, die Gräben durch Freundschaft und Demut zu überwinden. Es ist das ökumenische Treffen von Missionaren im Gran Chaco (E.I.M., Encuentro Interconfesional de Misioneros del Gran Chaco).
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