aufrecht in windschiefer zeit

Aufrecht in windschiefer Zeit

Impuls am Tag der Offensive

von Konstantin Mascher

In meiner Kindheit in Südafrika war der Winterurlaub immer etwas Besonderes. Wir fuhren für drei bis vier Wochen an die ­Küste des Indischen Ozeans, der mit seinem warmen Wasser für ein angenehmes Klima sorgte. ­Faszinierend waren die Nachmittage. Beim Spaziergang stürmte es und wir beobachteten, wie sich die Natur auf den Wind eingerichtet hatte: Bäume und Sträucher passten sich dem Druck an und wuchsen in eine bestimmte Richtung – schief. Dieses Bild aus meiner Kindheit kommt mir, wenn ich an den geistig-geistlichen Klimawandel in Deutschland und Europa denke.

 

Ein harscher Wind

Der harsche Wind gegen vieles, was als christ­liche Grundüberzeugung gilt, hat zugenommen. Bei manchen ethischen Positionen entfaltet sich ein regelrechter Orkan der Entrüstung. Bei solch einem Gegenwind fällt es nicht leicht, aufrecht stehen zu bleiben. Die einen wachsen schief mit der Windrichtung, um sich nicht allzu sehr anstrengen zu müssen – und andere wachsen ­bewusst dagegen – also auch schief.


Auch um die OJC war es in den vergangenen zwei Jahren nicht gerade windstill. Erst der Versuch, uns aus dem Diakonischen Werk ausschließen zu lassen, dann, Ende des vergangenen Jahres, die Anfrage der Grünen und Linken im hessischen Landtag, ob es denn rechtens sei, dass die OJC öffentliche Gelder für ihre FSJ-Arbeit bekomme. Begleitet war sie von der Forderung, uns die Trägerschaft abzuerkennen. Begründet wurde diese Maßnahme mit der Unterstellung, wir würden das Jahresteam mit unserer „kruden Geisteshaltung“ zum Thema Homosexualität indoktrinieren. Hinzu kam Anfang dieses Jahres der Gesetzentwurf von Bündnis 90/die GRÜNEN zum Verbot von Therapien, die auf eine Ver­änderung der sexuellen Orientierung zielen, durch den, das war unmissverständlich, unsere Position kriminalisiert werden soll. Solche Maßnahmen rauben uns natürlich Zeit und Kraft. Doch wir bleiben gelassen, denn wir haben weder etwas zu verbergen, noch müssen wir befürchten, den fachlichen und ethischen Anforderungen nicht zu genügen. Wir werden zuversichtlich Rede und Antwort stehen.

Aufrecht in einer windschiefen Zeit

Christen, die sich an den Wertekoordinaten des Evangeliums ausrichten, müssen mit zunehmender Herausforderung rechnen. Wodurch zeichnet sich der momentane Gegenwind aus? Kann man die Strategien benennen? Die Mittel, die eingesetzt werden, sind effektiv: Lächerlich machen, Lügen verbreiten, verleumden, einschüchtern, sanktionieren, isolieren und zuletzt kriminalisieren. Wer sich nicht nach den Auffassungen des Mainstreams richtet, wird zunächst lächerlich gemacht. Er gehört zu den Ewiggestrigen, die noch nicht verstanden haben, dass der vermeintliche Fortschritt im Auflösen des Bewährten liegt. Wer sich nicht in die Allee der schiefen Bäume eingliedert und für seine Überzeugungen noch öffentlich einsteht, muss mit immer schärferen Einschüchterungsversuchen, Verleumdungen und Sanktionen rechnen. So erleben wir es jedenfalls. Auch andere Personen oder Werke erleben, dass sie isoliert werden, die institutionelle Zugehörigkeit gekappt und der Geldhahn der öffentlichen Zuschüsse zugedreht wird. Das letzte und härteste Mittel ist die juristische Gängelung mittels Gesetzesinitiativen. Wer nicht dem Selbstverständnis der „Toleranten“ entspricht, wird als intolerant gebrandmarkt, wird an den Rand gedrängt und an den Pranger gestellt:

  • Wer etwa der Überzeugung ist, dass ein Kind Vater und Mutter braucht, die nicht durch eine beliebige Paarkonstellation ersetzt werden kann.
  • 
Wer davon überzeugt ist, dass die Ehe auf die Ein-Mann-eine-Frau-Verbindung beschränkt bleiben sollte.
  • 
Wer der Überzeugung ist, dass menschliches Leben mit der Verschmelzung von Samen und Eizelle beginnt.
  • 
Wer der Überzeugung ist und die Erfahrung gemacht hat, dass sich die homosexuelle ­Orientierung wandeln kann.
  • Wer heute für solche Überzeugungen steht, wird in die reaktionäre Ecke einsortiert – ­selbst Angela Merkel, über deren Besuch beim Gnadauer Verband getitelt wurde: „Merkel würdigt evangelikale Homo-Heiler.“

Abweichende Meinungen werden nicht etwa argumentativ widerlegt, sondern zum Verstummen gebracht. An die Stelle einer sachlichen Auseinandersetzung tritt die Empörungsrhetorik; gebetsmühlenartig wiederholte Parolen, die beim näheren Hinsehen und bei empirischer Prüfung in sich zusammenfallen.

Glück oder Pech – wer weiß es schon?

Was tun, wenn einem der Wind um die Ohren pfeift? Es gibt ein Gefühl der Sicherheit, in Reih und Glied mit den anderen schiefen Bäumen zu stehen, etwas krumm zwar, aber akzeptiert und geliebt. Und wer weiß: Vielleicht sind ja auch alle anderen gerade und nur ich bin windschief? Ja, ein Christenleben in solcher Harmonie wäre einfacher. Doch ist das unsere Berufung als Christen? Wir sind gerufen und berufen, uns an den Koordinaten des Evangeliums auszurichten, nicht indem wir uns in der Welt einrichten, sondern indem wir uns an der frohen Botschaft Jesu ausrichten! Jeder Wind – und erst recht der Gegenwind – ist ein Aufruf, uns noch tiefer in Christus zu verwurzeln, der zeitlebens mit ­Gegenwind zu tun hatte.


Was hilft, bei zunehmendem Druck gelassen zu bleiben, erzählt folgende kleine Weisheitsgeschichte: Einem Bauern sind seine Ochsen weggelaufen. Die Nachbarn bedauern ihn und sagen: „Da hast du aber Pech gehabt.“ Der Bauer antwortet: „Glück? Pech? Wer weiß das schon.“ Darauf schickt er seinen Sohn los, um die entlaufenen Ochsen zu suchen. Tatsächlich findet der Sohn sie in einem Waldstück und bringt sie wohlbehalten zurück – zusammen mit einem Wildpferd, das er im Wald gefangen hat. Da freuen sich die Nachbarn mit ihm und sagen: „Du hast aber Glück gehabt.“ Der Bauer antwortet: „Glück? Pech? Wer weiß das schon.“ Am nächsten Tag will der Sohn das Wildpferd einreiten, stürzt jedoch und bricht sich ein Bein. Jetzt sagen die Nachbarn wieder: „Da hast du aber Pech gehabt.“ Der Bauer antwortet nur „Glück? Pech? Wer weiß das schon.“ In der folgenden Woche kommen Abgesandte des Kaisers in das Dorf, um Rekruten für den Kriegszug einzuziehen. Sie nehmen alle jungen Männer mit, nur den Sohn des Bauern mit dem gebrochenen Bein lassen sie zurück... (aus: Hermann Kügler, Scheitern)

Verbündete halten Stand

Um aufrecht in einer windschiefen Zeit stehen zu können, braucht es eine gute Portion Gelassenheit, Nüchternheit, Vertrauen und einen langen Atem. Denn wir wissen letztlich nicht, wie die Geschichte ausgehen wird. Wir wissen nicht, wozu das Ganze gut sein wird. Dass, was wir momentan als Hindernis empfinden, kann uns morgen zum Segen werden. Das was heute wie ein Vorteil erscheint, kann sich morgen als Pech entpuppen. Um in einer windschiefen Zeit nicht zu verzweifeln und die Orientierung zu verlieren, brauchen wir Verbündete. Gefährten, die uns ermutigen, stützen, herausfordern und immer wieder aufrichten. Verbindliche Gefährtenschaft kann im Hauskreis, in der Gemeinde, in einer Zweierschaft, in einer WG oder in einer Kommunität gelebt werden. Entscheidend ist nicht wie, sondern dass sie gelebt wird. Verbindliches Christsein in hoffnungsvoller Nüchternheit ermöglicht eine Nachfolge, die sich nicht beeindrucken lässt, sich nicht ängstigen lässt, sich nicht vom eigentlichen Auftrag ablenken lässt. Besonders dankbar sind wir deshalb für die Verbundenheit mit euch. Danke für eure Ermutigung, eure Briefe, eure finanzielle Unterstützung, eure Bereitschaft, als OJC-Paten unseren Auftrag mitzutragen. Wir sind dankbar für eure Fürbitte im Hintergrund. Ohne euch, ohne unsere Beter, könnten wir diesen Dienst, gerade unter Angriffen, nicht durchtragen.

Gestaltungsspielraum für Gott

Auch wenn uns zunehmend ein scharfer Wind um die Nase weht, haben wir keinen Grund, uns zu beklagen. Noch haben wir Christen einen weiten Gestaltungsspielraum, in dem wir offen und sicher schöpferisch tätig sein können. Gepachtet haben wir diese Freiräume allerdings nicht. Wenn uns der Gegenwind den Atem verschlägt, dann wird uns das eben lehren, noch vertrauensvoller zu beten! Gerade dann dürfen wir uns die Worte Bonhoeffers zu eigen machen, der angesichts aller Bedrängnisse noch beten konnte:


Vater im Himmel, Lob und Dank sei dir für deine Liebe und Güte und Treue in meinem Leben. Du hast mir viel Gutes erwiesen. Lass mich auch das Schwere aus deiner Hand annehmen. Du wirst mir aber nicht mehr auferlegen, als ich tragen kann. Du lässt deinen Kindern alle Dinge zum Besten dienen.

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