Frommsein ist nicht immer Oberprima

Ein Outsider erzählt

von Lukas

Ich bin in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen, habe von klein auf gelernt, vor dem Essen und dem Schlafengehen zu beten und in unserer Gemeinde viele Gruppen erst als Teilnehmer und später als Mitarbeiter durchlaufen.
In meiner Konfirmandenzeit begann ich, mich nach und nach vom Glauben meiner Eltern zu lösen, den ich einfach ‚nachgelebt’ hatte, und meinen eigenen Glauben zu finden.

Im Wind stehen

Intensive Lobpreiszeiten, das gemeinsame Erleben des Glaubens mit Gleichaltrigen und die Vorstellung von einem Gott, der so viel besser, größer, wahrhaftiger ist als wir fehlbaren Menschen, begeisterten mich und ich begann, mich mehr in die Gemeinde einzubringen. Ich besuchte viele Freizeiten und machte auch in der Schule aus meinem Glauben keinen Hehl. Hier spürte ich zum ersten Mal bewusst Gegenwind. Mit meinen uncoolen und unzeitgemäßen Ansichten, wie etwa der Vorstellung, dass Gott die Welt erschaffen hat, der Auferstehung, der Bedenken hinsichtlich der Abtreibung oder einfach der Tatsache, dass ich an einen Gott glaubte, der präsent ist und direkt in unser Leben hineinwirkt, wurde ich zu einem exotischen Außenseiter und stritt häufig mit Klassenkameraden. Doch ich lernte, mir eine eigenständige Meinung zu bilden und diese zu vertreten. So führte ich in der Schule und auch im Internet gelegentlich Diskussionen über verschiedenste religiöse Themen mit Gleichaltrigen, die meinen Glauben nicht teilten. Allerdings konnte ich damals noch nicht sinnvolle von chancenlosen Diskussionen unterscheiden und steckte viel Zeit in Menschen, deren einzige Absicht es war, ihre fertigen Urteile zum Besten zu geben.

Sich dem (Gegen-)Wind beugen

Dennoch war ich immer auch „gefangen“ in der Suche und in der Sehnsucht nach etwas, das ich nicht genau zu benennen wusste. Ich wollte Gott mehr „erleben“ und war unzufrieden mit der mangelnden Lebendigkeit meines Glaubens. Nach außen hatte ich das Leben eines jungen Christen aufgebaut und war im Kopf von der biblischen Botschaft überzeugt, in mein Herz aber konnte ich sie nicht aufnehmen. Als das erste Feuer der Begeisterung verglüht war, stand ich allein da, ohne eine tiefere Verbindung zum Glauben, die mich im Alltag trug und ohne andere Christen, die mir in der Schule den Rücken stärkten. Wenn es in meiner Altersstufe noch andere Christen gab, hielten sie sich gut bedeckt, denn ich habe niemanden kennengelernt, der seinen Glauben offen vertreten hätte. Während ich mir vor meiner Oberstufenzeit wenigstens im Religionsunterricht noch gelegentliche Grundsatzdiskussionen erlaubte und bereit war, Flagge zu zeigen, gewöhnte ich mir spätestens jetzt eine wahrhaft windschnittige Haltung an. Zwar hängte ich mein Fähnlein nicht wahllos nach jedem Wind, doch ich lernte auf meisterliche Art und Weise, meine Zeit in der Schule der Bedeutung und jeglichen Tiefganges zu berauben. Ich beschränkte mich auf Dinge wie gemeinsame Hobbys, Aktivitäten, die Spaß machten und alle interessierten, und wenn wir im Unterricht zu etwas Stellung nehmen sollten, so formulierte ich meine Position so vage und vorsichtig  wie kaum ein anderer, so dass eigentlich jeder mir zustimmen musste und ich keinesfalls irgendwelche Gefühle verletzte. So verlor ich nach und nach meine Überzeugungen, während gleichzeitig von kühler Vernunft geschürte Zweifel wuchsen und ich irgendwann nicht mehr daran glaubte, dass es in meinem Leben einen Gott gibt.

Windschatten suchen

Veränderung brachte eine Jugendfreizeit. Hatte ich vorher immer mein Herz für alles verschlossen, was ich in der Gemeinde hörte, konnte ich dort plötzlich wieder offen dem Lobpreis und den Inputs begegnen. In einem Workshop zum Thema „auf Gott hören“ sprach Gott dann ganz deutlich durch mehrere Bibelworte und Bilder direkt in mein Leben hinein. Ich hatte kaum eine andere Wahl, als mich neu in seine Hände zu geben. Doch damit war der Kampf nicht ausgestanden, denn mein wiedergefundener Glaube war sehr fragil und unsicher. Ich brauchte etwas, durch das ich eine Beziehung zu Jesus aufbauen, sie stärken und festigen konnte. Gleichzeitig wusste ich, dass ich nicht die Kraft und genug  Überzeugung hatte, dieses „Etwas“ aktiv zu suchen, solange ich in der täglichen Umgebung meines gewohnten Lebens war. Deshalb entschied ich mich, nach der Schule ein Jahr Auszeit zu nehmen, das ich ganz meiner Beziehung zu Gott widmen wollte, und in dem ich lernen konnte, meinen Glauben in den Alltag und in die Tiefen meines Lebens zu integrieren.

Gegen den Wind segeln lernen

Den Raum dafür fand ich sehr schnell bei der OJC. Von Anfang an spürte ich, dass es hier nicht zuerst um die Leistung geht, sondern um den Menschen und dass unsere persönliche Entwicklung wichtiger ist als die Arbeit. Viele der Narben, die mein jahrelanges Ringen mit dem und um den Glauben hinterlassen hatten, kamen hier erst zum Vorschein und an vielen Dingen arbeite ich noch. So fällt es mir nach wie vor schwer, eine klare Position zu beziehen und mich nicht vor Entscheidungen zu drücken. Der gemeinsame OJC-Tagesrhythmus half mir dabei, die Einbindung meines Glaubens in den Alltag zu trainieren. Die vielen Angebote rund um Stille Zeit, Bibelarbeiten, Mentorengespräche und WG-Abende waren für mich zudem eine sehr gute Möglichkeit, Neues zu erfahren, mich selbst besser kennenzulernen, meine Beziehung zu Jesus zu vertiefen und Ihm vertrauen zu lernen. Das Jahr neigt sich bereits dem Ende zu und ich blicke, anders als vor anderthalb Jahren, mit Zuversicht auf das Studium und die Zeit danach. Ich weiß jetzt, dass ich den kommenden Herausforderungen und Widerständen gemeinsam mit Jesus entgegentreten kann.

Von

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