Zahnbürste dabei?!

Ziviler Ungehorsam. Zahnbürste dabei?

Wenn Christen aus der Komfortzone treten. Predigt zu Himmelfahrt

von Burkard Hotz

Liebe Geschwister in Christus,

liebe Gefährten im Gegenwind,

liebe Freunde des aufrechten Gangs!

In der Einladung zum Jahrestreffen bei der Offensive Junger Christen las ich zu meinem Schrecken, ein Ruheständler solle das aktuelle Wort zur Lage sagen: nämlich ich. Welch eine Herausforderung, da wird es mit der Ruhe wohl bald vorbei sein! Dann aber dachte ich, wie gut, die Herausforderung ist echt, denn die Gefährtenschaft, die in Jesus Christus begründet ist, ist generationenübergreifend. Erst recht im Gegenwind leben wir bewusst den göttlichen Friedensschluss der Generationen. Die Alten, indem sie die Jungen mit Wahrhaftigkeit segnen und sie zu den Lebensprojekten des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, auch durch ihr gelebtes Vorbild, ermutigen. Und die Jungen, indem sie die Alten achten – auch im Widerspruch – und ihnen beherzt Anteil geben an dem Überschuss, aber auch an dem Mangel ihres Lebens. Weil wir uns gemeinsam auf Jesus Christus, unseren Herrn beziehen, uns in ihm begründen und durch ihn erfüllt mit seinem Geist senden lassen, darum sind wir heute hier im großen Trainingslager der Gemeinschaft. Und eine besondere Qualifikation dieser Gefährtenschaft ist der Gegenwind. Zwei weitere Qualifikationen will ich noch hinzufügen, so dass wir den Weg der Predigt in drei Schritten gehen:

  1. Gefährten durch Aufwind
  2. Gefährten im Gegenwind
  3. Gefährten mit Rückenwind

Grundqualifizierung durch Aufwind

Dass wir uns an Christi Himmelfahrt treffen, hat seinen guten Grund, denn sie stellt und entscheidet die Machtfrage in dieser Welt. Weder den Netzwerken der Mächtigen noch der Finanzwelt mit ihren milliardenschweren Rettungsschirmen gehört die Welt, noch dem Verstand der vermeintlich Klugen, noch der Raffinesse der tatsächlich Bösen. Jesus Christus ist der Herr, er hat die Macht in der sichtbaren und in der unsichtbaren Welt, er regiert heute schon und er wird sichtbar wiederkommen und den neuen Himmel und die neue Erde schaffen. Erkennen wir, was das heißt?

Indem wir Jesus als den wahren Herrn an­erkennen und bekennen, geschieht die große Entmächtigung all der Herren und all der Mächte, die unser Leben definieren wollen, indem sie es benutzen, es an sich reißen oder wegwerfen. Christi Himmelfahrt, seine Thronbesteigung zur Rechten des Vaters, ist der große Göttersturz dieser Welt. Und daher gehört auch das allzeit aktuelle Wort von Gustav Heinemann, 1950 auf der Schlusskundgebung des Kirchentags gesprochen, zentral zur Realität des Herrschaftsantritts Jesu: Lasst uns der Welt antworten, wenn sie uns furchtsam machen will: Eure Herren gehen, unser HERR aber kommt!


Wir sind also die, die zu diesem jetzt schon herrschenden und dann sichtbar wiederkommenden Herrn gehören. Er ist die Wahrheit unseres Lebens, in ihm haben wir unsere Identität. Wisst ihr, was das bedeutet? In Jesus wird unser Leben nicht mehr definiert durch das, was wir machen oder nicht machen. Nicht mehr unsere Erfolge oder unser Scheitern, nicht mehr unsere Siege oder unser Versagen, auch nicht unsere Schuld, auch nicht unser Tod bestimmen uns. In Jesus sind wir die geliebten und befreiten Kinder unseres himmlischen Vaters. Ist das nicht atemberaubend groß!? Durch Jesus sind wir frei von der Definitionsmacht dieser Welt, auch von der Weltmacht mit den drei Buchstaben: unser Ego hat weder Recht noch Macht, unser Leben zu bestimmen. Jesus Christus ist die grundlegende und letzte Instanz, denn er ist hinabgestiegen in den Fluch der Sünde und hat die zerstörerische Macht dieses Fluchs durch seine Liebe am Kreuz von Golgatha besiegt. In den weit ausgestreckten Armen Jesu am Kreuz verwandelt sich der Fluch der Sünde in den Segen der Gnade. Er hat durch seine Auferstehung, durch diesen Aufwind des Lebens, das neue, nicht mehr durch den Tod definierte Leben in unsere Welt gebracht. Er bietet dieser sich selbst zerstörenden Welt den rettenden Friedensschluss seiner Liebe an. Im Bibelwort für heute sagt Jesus: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen. Wo der Meister ist, da will er seine Jünger auch haben. Ja, er bittet seinen Vater ausdrücklich darum: Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen. Dieser Aufwind zu Jesus Christus hin ist der Heilige Geist, der nun dieses Doppelte tut: Durch ihn werden wir immer wieder auf unseren Herrn zentriert. Und es ist derselbe Aufwind des Geistes, der uns persönlich aufrichtet und der uns zu Brüdern und Schwestern macht. Frauen und Männer, Alte und Junge, Fremde und Einheimische werden durch diesen Aufwind des Heiligen Geistes zu Gefährten des Lichts. Wollt ihr das sein? Oder genauer gesagt, wollt ihr das sein, was ihr seid?!

Qualitätstest im Gegenwind

Wenn schon Sportler Trainingscamps brauchen, weil sie sich bewusst auf Wettkämpfe vorbereiten, wie viel mehr brauchen wir Trainingslager! Denn die Kämpfe, die wir erleben und auf die wir uns vorbereiten, sind ja nicht nur sportlicher Art. Spätestens in diesem zweiten Schritt der Gefährtenschaft in Jesu Namen wird uns klar, dass die Entmachtung der Götzen dieser Welt keine harmlose Wandertour ist. Sie räumen keineswegs kampflos ihre Altäre, sie fordern rücksichtslos die Loyalität, sie werden sehr ungemütlich, wenn wir ihre Doktrinen nicht mitbeten und die von ihnen propagierten Lebensweisen verweigern! Im hohepriesterlichen Gebet aus Johannes 17 spricht Jesus über seine Jünger: Wie du mich ­gesandt hast, so sende ich sie auch in die Welt. Ich habe ihnen dein Wort gegeben und dein Wort ist die Wahrheit und die Welt hat sie gehasst, denn sie sind nicht von der Welt, wie auch Ich nicht von der Welt bin.


Das, liebe Gefährten, ist der tiefste Grund für den Gegenwind: Die Wahrheit Gottes enttarnt die proklamierten Wahrheiten dieser Welt als Lügen. So gehört dieser Gegenwind zum Qualitätsmerkmal der Sendung Jesu, er ist das sachgemäße Kennzeichen der Gefährtenschaft im Licht.

Dabei wisst ihr, liebe OJCler, dass der Hass der Welt, von dem Jesus spricht, keine metaphorische Beschreibung ist, sondern höchst real. Das Ausmaß des Hasses, der euch immer wieder trifft –gerade in der letzten Zeit, gerade aus einer Kultur heraus, die sich gern so locker und flockig, so bunt, freundlich und tolerant gibt – dieses Ausmaß ist schon gewaltig! Und die Erfahrungen, die wir machen, dass man uns zu Feinden der Freiheit erklärt, dass man uns ideologisch kriminalisiert, das hat etwas tief Verletzendes. Darum ist ein echtes Trainingslager der Jünger Jesu immer auch ein Lazarett, in dem wir uns gegen­seitig trösten, Wunden verbinden und um Heilung und Ermutigung beten. Und doch nimmt uns Jesus aus diesen Kämpfen nicht einfach heraus. Im Gegenteil, er führt uns in sie hinein. Er führt uns heraus aus unserer Zone des Komforts, hinein in dieses Areal des Gegenwindes. Er erspart uns manchmal auch die Löwengrube nicht. Das hören wir westlich-bürgerlich geprägten Christen sehr ungern – leiden um Jesu willen, das ist nicht so unser Ding! Da haben wir doch lieber einen fröhlichen Kirchentag, bei dem sich alle wichtigen Größen der gegenwärtigen politischen Kultur einstellen und bei dem uns das gute Gefühl erfüllen kann, ganz vorne mit dabei zu sein.


Doch das reicht nicht aus, so gut es sich auch anfühlt, das ist keine nachhaltige Frömmigkeit, denn das Leiden um des Evangeliums willen gehört zu den Kennzeichen der Nachfolger Christi.

Jesus selbst wurde durch sein Leiden erhöht und hat so am Kreuz von Golgatha die Mächte der Welt und der Sünde besiegt. So ist es der er­höhte Herr, der uns zu sich zieht. Eine Kirche, die den Gegenwind um jeden Preis meidet, die das Leiden um Jesu Christi willen in ihrer Verkündigung und in ihrem Leben nicht kennt, die es gar nicht auf ihrer Agenda hat, dass so etwas passieren könnte, eine solche Kirche ist dabei, Jesus Christus selbst zu verlieren. Und eine Kirche, die Jesus verliert, wird in jeder Beziehung überflüssig.


Wenn wir aber heraustreten aus dem theologisch-ideologischen Mainstream unserer Tage und nicht fliehen vor dem Hass der Welt, dann machen wir großartige Entdeckungen. Indem uns der Hass der Welt trifft, entdecken wir die Liebe und den Frieden und die Freude unseres Herrn Jesus in einer ganz neuen Tiefe, in einer neuen Begeisterung und Echtheit. Das ist das er­ste Geschenk im Gegenwind: Die neue Entdeckung des begeisterten, belastbaren Glaubens. Das zweite Geschenk ist die neue Entdeckung des Mutes. Die Angst, in der ja ganz viel Menschenfurcht enthalten ist, verliert ihre einschüchternde Wirkung. Wir lernen, mutig und klar aufrecht zu stehen und zu gehen, so wie es der alte Choral sagt: Nun aufwärts froh den Blick gewandt und vorwärts fest den Schritt, wir geh'n an unsers Meisters Hand und unser Herr geht mit. Es ist der Mut zum Bekenntnis, weil wir als Jünger Jesu für eine Wahrheit einstehen, die nicht zur Disposition steht. An der Hand unseres Herrn, mitten im Gegenwind, kurz vor oder vielleicht sogar mittendrin in der Löwengrube, entdecken wir das Wunder, dass unser Mut stärker ist als unsere Angst.

Und das dritte Geschenk ist die großartige Ent­deckung: Mitten im Gegenwind haben wir Freunde, ja noch mehr, wir sind Gefährten, echte ­Gefährten, denn wir teilen in Jesu Namen nicht nur die Fahrt, sondern wir teilen auch die Gefahr. Um es mit Worten des Hebräerbriefes zu sagen: Wir sind Gefährten, die gemeinsam die Schmach Christi für größeren Reichtum halten als die Schätze Ägyptens (Hebr 11,26).

Qualitätssteigerung durch Rückenwind

Wir sind Gefährten mit Rückenwind, denn wir gehen dem kommenden Herrn entgegen. Wir wahren nicht die Asche des Vergangenen, wir hüten das Feuer des Kommenden! Und weil wir in diesen kommenden Jesus verliebt sind, sind wir frei, ihn heute mit Freude zu bezeugen. Dazu ist das erste, dass wir ihn nicht verschweigen. Unsere derzeitige Kultur richtet das Tabu auf, von Gott, von Jesus Christus ernsthaft öffentlich zu sprechen. Denn wer von Gott redet, macht der Welt klar, dass sie nicht alles ist. Doch die Welt will alles sein, sie will keinen Gott haben, der sie relativiert. Darum muss Gott verschwiegen werden. Wir durchbrechen dieses Tabu, wir reden öffentlich von Gott und freuen uns über jeden, der es auch tut, wie z. B. Jürgen Klopp, der Trainer der Borussen, der in der vergangenen Woche das Rückspiel gegen Real Madrid (bei der Champions League) beim 0:2-Stand so kommentierte: „Falls Gott will, dass wir ins Endspiel kommen, dann schaffen wir es, und wenn wir es nicht schaffen, dann hat er seine Gründe.“ Das ist Rückenwind! Den stärksten Rückenwind erleben die Gefährten Jesu in der Freude, ihren Herrn zu bezeugen. Die Apostelgeschichte erzählt anschaulich, wie Petrus und die Apostel, gerade frisch gegeißelt und vom Hohen Rat davor gewarnt, von Jesus zu erzählen, sich wieder zu den Geschwistern schleppten. Fröhlich, weil sie würdig gewesen waren, um seines Namens Willen Schmach zu leiden. Und natürlich hörten sie nicht auf, von Jesus zu erzählen. Im Gegenteil, sie machten sofort weiter!


Erkennen wir, wie die Gefährtenschaft mit ­Rückenwind in der Freude, Jesus zu bezeugen, immer eine Nähe zum zivilen Ungehorsam hat? Hier soll uns die amerikanische Bürgerrechts­bewegung mit Martin Luther King ein ermutigendes Vorbild sein, uns auch öffentlich zu verweigern, öffentlich Unrecht zu skandalisieren durch unseren eigenen gewaltfreien Einsatz. Wenn wir nicht mehr durch Angst und Angepasstheit erpressbar sind, weil die Freude, zu ­Jesus zu gehören, uns erfüllt, finden wir in die echte Freiheit der Kinder Gottes. Und wenn die Welt uns kriminalisiert, dann sagen wir klar: Wir werden dieses Gesetz, weil es Unrecht ist, übertreten. Wir lassen uns als Gefährten mit Rückenwind nicht mehr einschüchtern.

In der Bürgerrechtsbewegung gab es ein Lied, das mit einer Frage beginnt: Hast du deine Zahnbürste dabei? Warum? Weil du, wenn du deine Zahnbürste dabei hast, deine Bereitschaft zeigst, wenn es sein muss, auch ins Gefängnis zu gehen. Ich habe sicherheitshalber meine Zahnbürste schon mitgebracht. Und eins muss klar sein: Das Gefängnis ist seit 2000 Jahren und heute erst recht weltweit für Christen aller Konfessionen ein völlig respektabler Ort! Ja, liebe Geschwister in Christus, liebe Gefährten mit Rückenwind, liebe Freunde des aufrechten Gangs, Christsein wird aufregender und kämpferischer werden, und gerade darin einfacher, echter und demütiger, denn Jesus selbst ruft uns heraus aus der Zone unseres Komforts in den Gegenwind einer windschiefen Zeit. Seid getrost, wir werden unseren belastbaren Glauben, unseren Mut und unsere Zahnbürsten noch gebrauchen. Doch weil es Jesus Christus ist, die Mitte der Gemeinschaft und die Umfassung der Gefährten, der die Machtfrage im Himmel und auf Erden schon entschieden hat und der sichtbar wiederkommen wird, weil es Jesus Christus ist, der uns in liebevoller Treue herausfordert und provoziert, gilt uns die gemeinsame Parole der Gefährten: Seid nicht bekümmert, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.  


Darum sind wir heute hier in Reichelsheim nicht zuerst in einem Trainingslager, auch nicht zuerst in einem Lazarett, sondern zuallererst sind wir hier Teil jenes begeisternden Festes, bei dem wir heute schon bekennen und feiern, was eines Tages auch alle Welt sehen und bekennen wird: Dass Jesus Christus der Herr ist!


Amen.

Von

  • Burkard Hotz

    über 30 Jahre Pfarrer in Rimbach, einer Reichelsheimer Nachbargemeinde. Seit 2012 ist er im Ruhestand – aber weiterhin engagiert in der Seelsorge.

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