Geharnischte Friedensboten?

Wie der Epheserbrief uns ermutigt, die Waffen zu strecken

Bibelarbeit in eigener Sache

Nicht aggressiv, nicht defensiv, offensiv wollen wir den Glauben bekennen!“ – Ach so. Die Erklärung für den sonder­baren Namen meiner Gemeinschaft leuchtete mir ein. Draufgängerisch und wehrhaft – nur so kann man glaubwürdig eintreten für den großen Schalom, diese Rundumversöhnung, die wir uns auf die Fahne geschrieben haben: Frieden zwischen den Generationen, den Geschlechtern und den Völkern. Mindestens. Nebenbei auch mit dem Nebenmann, der einem bei dem großen Friedensprojekt schon mal in die Quere­ kommen kann. Na ja, das ist natürlich nicht gemeint. ­Natürlich kann sich Versöhnung nur im Konkreten ereignen, zwischen Mensch und Mensch, zwischen dir und mir, zwischen Gott und meinem Herzen. Und dennoch; die Fülle der Aufgaben und Herausforderungen in der Welt, aber auch ganz in der Nähe, verstellt hin und wieder unseren Blick für das Wesentliche. Wir wappnen uns für die Auseinandersetzungen mit den „zerstörerischen Geistesmächten“, rasseln aber regel­mäßig mit dem Bruder, der Schwester zusammen. Und wie oft erleben wir, dass die unerbittlichsten Grabenkämpfe zwischen ­Christen ausgefochten werden – „mit den Waffen des Geistes“ versteht sich, die hat man schnell zur Hand.

Die Armatur der Heilstaten Christi

Ein griffiger Text in Epheser 6, der uns den römischen Legio­när in voller Montur vor Augen stellt: Gurt (= Wahrheit), Brustpanzer (= Gerechtigkeit), Stiefel (= Evangelium), Schild (= Glaube), Helm (= Heil), Schwert (= Wort Gottes). Eine eingängige­ Metaphorik, die sich zudem selbst erklärt: Wir, die Gemeinde Jesu, befinden uns in einem Kriegs­geschehen, hinter dem ein größerer, umfassender Kampf der Geistesmächte tobt. Um unseren Auftrag, Menschen durch das Evangelium aus den Klauen des Widersachers zu befreien, erfüllen zu können, brauchen wir eine spezielle Waffenrüstung, nicht von Menschenhand gefertigt, sondern in der Waffenschmiede des Geistes. In diese Ausrüstung sind die Heilstaten Jesu, sein Sieg über unsere Verlorenheit, gleichsam eingehämmert. Unter ihrem Schutz sind wir trotz unserer Unzulänglichkeit und Anfechtbarkeit davor gefeit, den Angriffen des Bösen zu erliegen. 

So weit so gut. Aber was heißt es, die Waffen ­anzulegen? Und wohin mit der Rüstung, wenn die Schlacht vorbei ist? Soll sie uns als zweite Haut umschließen? Sollen wir als geharnischte Friedensboten durch die Lande klappern?

Der neue Adam ist kein Don Quijote!

Es kann bei der Auslegung des Textes nicht um das Hantieren mit der „geistlichen Waffenrüstung“­ gehen; der „neue Mensch“, der im Zentrum des Epheserbriefes steht, ist kein Ritter von der traurigen Gestalt, der sich Tag und Nacht in einer viel zu großen Rüstung unsichtbarer übermächtiger Feinde zu erwehren hat. 

Es geht weniger um das Anlegen als um das ­Ab­legen. Und damit haben wir unsere Not. Das Ablegen war auch das große Thema der ­Gemeinde in Ephesus. Es galt nichts weniger, als abzustreifen, was sie zuvor als ihre Normalität kannten, den Lifestyle, der sie in der Stadt umgab: eine von Krieg und Tod gezeichnete, ihnen aber geläufige Kultur, die den frisch Bekehrten das Leben, zu dem sie in Christus berufen waren, zuweilen illusorisch oder unerreichbar erscheinen ließ. 

Leitkultur Krieg

Wie alle Städte im römischen Reich profitierte auch Ephesus von der Pax Romana, dem gigantischen Projekt, die gesamte damalige Welt in einem politischen Prinzip unter einer zentralen Führung zu vereinen. Der Stadtstaat Rom hatte nicht nur seine Nachbarn, sondern ganze Reiche seiner boomenden Infrastruktur einverleibt. Was sich an politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Strukturen halbwegs mit den Interessen des Imperiums vereinbaren ließ, wurde integriert, was sich querstellte, eliminiert. „Befrieden“ hieß das, und dazu leistete sich Rom eine riesige Armee. Das ultimative Mittel zur Sicherung der Pax Romana war der Krieg. Er war auch der Exportartikel Nummer 1, denn um die Grenzen nachhaltig zu befrieden, mussten diese ständig ins Feindesgebiet hinein erweitert werden. Überhaupt bestimmte der Krieg alles Denken, Planen, Handeln – nicht nur für die Römer und nicht nur damals. Er ist, wie der Philosoph ­Heraklit (um 520 v. Chr.) formulierte, der ­„Vater aller Dinge“, Motor allen Strebens und des kulturellen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Fortschritts. Nach der in Rom gängigen reli­giösen Vorstellung verdankte die ganze Welt und darin die Menschheit ihre Existenz den kriegerischen Auseinandersetzungen der Götter­mächte, die sich gegenseitig bekämpften und damit die Geschicke der Menschen leiteten. Mars, der kriegstauglichste aller zänkischen Götter des Olymps, galt als Urvater der Römer und Schutzpatron der Stadt. Deren oberster Heerführer und Imperator ließ sich als Sohn dieses Gottes verehren, und jeder kleine Legionär in jeder staubigen Provinz wurde in seiner Montur als wandelnde Mars-Miniatur wahrgenommen. 

Ein solcher Legionär mochte den Ephesern beim Lesen des letzten Briefkapitels in den Sinn kommen. Sie hatten sich in dem totalen und dabei so lukrativen Krieg der Pax Romana ganz gut eingerichtet. Ihre Stadtgöttin Artemis stand Mars, was die kriegerische Attitüde betraf, in nichts nach. Allerdings hatten sich die Epheser einen speziellen Aspekt des Krieges ins Stammbuch geschrieben: den unüberbrückbaren Gegensatz im Verhältnis der Geschlechter, der im Kult um die Göttin Artemis zum Ausdruck kam. Artemis – oder Diana, wie ihre römische Entsprechung hieß – wurden zwei, aus zwei Traditionen stammende Wesenszüge zugeschrieben, die sich vordergründig nur schwer vereinbaren lassen: Man verehrte sie als jungfräuliche Jägerin, die jeden Mann tötet, der sich ihr nähert, und als Fruchtbarkeitsidol mit unzähligen Brüsten. 

Der Riss geht mitten durchs Herz

Der diese Figur umrankende hellenistische ­Mythos begründet diese extreme Ambivalenz mit Erfahrungen, die wir heute als hoch traumatisch bezeichnen würden. Die Nymphe Leto, von Zeus geschwängert, flieht vor der mörderischen Rache der eifersüchtigen Hera und kommt zur Unzeit nieder. Die nach der dramatischen Entbindung rasant gereifte und als Hebamme in die Pflicht genommene Tochter Artemis hilft ihr, noch ihren Zwilling Apollo auf die Welt zu bringen. Dann wird das Mädchen von der Gejagten zur Jägerin und schwört ewige Rache an den Männern, denen sie die Schuld am Leiden der Schwangeren gibt. Mit dem Bruder verbindet sie vor allem Rivalität, einig sind sie sich nur in der Rache, und einst wird Apollo sie mit List dazu bringen, den einzigen Mann, dem sie in Liebe zugetan war, zu töten. Nach der bizarren Logik der Geschichte qualifiziert gerade ihr Hass auf die Männer sie für das Amt als Schutzpatronin von Schwangeren und Stillenden. Unzählige Frauen im römischen Reichsgebiet riefen, wenn sie niederkamen, den Namen der gebärunlustigen Artemis an und fluchten rituell den Vätern ihrer Kinder. Damit hofften sie, die Göttin solidarisch zu stimmen, damit sie ihnen bei der Niederkunft, im Augenblick äußerster weiblicher Wehrlosigkeit und Gefährdung, beistand. Mit den Händen umklammerten sie dabei kleine Skulpturen der die Fruchtbarkeit darstellenden Göttin aus ­Metall, Holz oder Keramik, die in Ephesus hergestellt und im Tempel geweiht wurden, dort wo das Original stand. Der Handel mit derlei Figuren sicherte der Stadt ein beträchtliches Einkommen. So konnte es nicht ausbleiben, dass sich gerade unter den Silberschmieden heftiger Widerstand gegen die Ausbreitung der christlichen Lehre regte: Die neue Religion, der sich zunehmend auch Nichtjuden anschlossen, würde die Ehre der Diana von Ephesus schmälern.

Die Gemeinde im Krieg der Kulturen

Dabei rührte die Frage, ob die Götzen nun Wunderkräfte haben oder nicht, nur an die Oberfläche des „Clash of Cultures“, der sich mit der Ausbreitung des Evangeliums abzeichnete. Der Aberglaube war zwar ein einträgliches Geschäft und sicher ein zähes Phänomen, aber lange nicht so widerständig wie die Mentalität, an die er andockte. Ihre Götzen und Quacksalberbücher haben die Frischbekehrten schnell und publikumswirksam verbrannt (Apg 19,19); den tief in der Seele und im kollektiven Bewusstsein wurzelnden, über Generationen tradierten Urbildern der Sehnsucht, der Angst und des Argwohns, die alle Bereiche des Lebens durchziehen, war nicht so leicht beizukommen. Genau darauf aber zielt der Epheserbrief.

Entwurf einer Gegenkultur

Der Apostel weiß um die Sehnsucht der Epheser. Er weiß auch um ihre Anfechtungen und trägt dem im gesamten Brief Rechnung. Er fordert sie auf, ihren resignierten, kurzsichtigen Blick für die großen Perspektiven Gottes zu weiten. Erst in diesem großen Zusammenhang wird verständlich, was es mit der „geistlichen Waffenrüstung“ auf sich hat. 

Der Brief hebt an mit dem Lobpreis über das den gesamten Kosmos erfassende Erlösungswerk Jesu Christi und die darin offenbar werdende Herrlichkeit Gottes. Diese ist so ganz anders als der furchterregende Terror des Zeus und seiner ­Gefährten, deren Willkür sich die Epheser schutzlos ausgeliefert sahen. Auf die umfassende ­Vision des Herrschaftswechsels in der unsicht­baren Welt (Kap 1) folgt das Panorama des an­brechenden Reiches Gottes, in dem die Entzweiung zwischen Israel und den Völkern – und damit zwischen allen Völkern – endgültig aufgehoben ist (Kap 2). Mitten im Kriegsrausch der Pax Romana errichtet der Messias sein Friedensreich, er, den die Landsleute an die Besatzer ausgeliefert und die römischen Legionäre als „König der Juden“ ans Kreuz geschlagen hatten. Der Apostel versichert die Heidenchristen, für die die Befreiung aus der Trostlosigkeit der Gottesferne und des Götzendienstes einer Revolution gleichkommt, seiner Fürbitte und stärkt ihren noch jungen und vielfach angefochtenen Glauben.

Nicht nur die Kleider gehören gelüftet ...

Danach nimmt er die Gemeinde in den Blick, in der der Heilige Geist mit vielerlei Gaben die Einheit aller in Liebe und gegenseitiger Wertschätzung wirkt (Kap 4). Die Gemeinde ist der auf Erden sichtbare Brennpunkt des Wirkens Jesu Christi. Er ist das Haupt, die Gemeinde der tätige Leib. In diesem Leib ist nun jeder seiner durch die Sünde verstümmelten, von Gott und den Mitmenschen abgeschnittenen Natur entkleidet und vom neuen Menschen umkleidet. „Der neue Mensch, das ist die Gemeinschaft“, formuliert Dietrich Bonhoeffer pointiert und meint den Menschen in der Verbundenheit mit dem Schöpfer und den Mitgeschöpfen. 

Dieses Aus- und Ankleiden ist Dreh- und ­Angelpunkt des Epheserbriefes. Hier kommt der Apostel auf das Eingemachte zu sprechen, auf das, was hinter der verschlossenen Tür passiert, auf das Privatissime unseres Lebens, wo die Wunden aus dem alles durchsetzenden Krieg am tiefsten in unsere Persönlichkeit hineinreichen. Dort gären die heimlichen Süchte, die verdrängten Ängste und die hartnäckigsten Vorbehalte, die unsere intimsten Beziehungen vergiften und selbst im Zeugen neuen Lebens die Kultur des Todes weitergeben. Zum „Leben im Licht“ fordert der Apostel heraus und zu einem entschiedenen Brechen mit der auf List, Tücke, Rausch und Gier gegründeten Lebenskultur. 

Es ist die viel zitierte „christliche Haustafel“, die den letzten Herrschaftsbereich der zwielichtigen Artemis ausleuchtet. Wo Argwohn und Angst ­einen Keil zwischen Mann und Frau getrieben haben, wird Christus zum Maß der ehelichen Hingabe. Mann und Frau werden ein Leib, die Blöße des einen wird von der Fürsorge und vom Respekt des Partners bedeckt. Christi Liebe zur Braut bildet die Grundlage für das neue Ehe­modell (Kap 5). Kindschaft und Elternschaft erhalten darin ihre jeweils eigene Würde, denn auch das neue Erziehungsmodell wurzelt in Christi Liebe zum Vater. Und schließlich muss sich auch das neue Herrschafts- und Dienst­modell an der Bereitschaft Jesu, dem „Knecht Gottes“, zum Dienst an den Seinen messen lassen. 

Erst nachdem alles in der Mitte der Gemeinde, in der Mitte der Familie, in der Mitte der Herzen mit neuem Leben gefüllt ist, ist die Truppe Gottes bereit, den Frieden in die feindliche Welt zu tragen. 

Der schäbige Rest

Das Schlüsselwort, das uns das Kapitel über die Waffenrüstung des Geistes aufschließt, lautet „zuletzt“ (Kap 6,10). Damit wird nicht etwa das großartige Finale eingeläutet, denn nichts könnte an die Ouvertüre des Epheserbriefes heranreichen. Nein, wir können es getrost als „übrigens“ lesen. Als das, was nach allem, was Christus tut und wer er ist, für uns noch zu tun und zu sein übrig bleibt. Das kleine Wort zuletzt, griechisch loipon begegnet uns in der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des Alten Testaments immer dann, wenn es um den schäbigen Rest geht, um das Übriggebliebene, für das Gott ein besonderes Faible hat. So wie für Noah, der als „einziger übrig geblieben ist“. Als die Fluten über dem ­Geschlecht der Menschen zusammen­schlugen, weil sie mit der Missachtung der Ordnungen Gottes die Schleusen des Chaos geöffnet hatte, griff Gott ein und rettete den „schäbigen Rest“ seines Meisterwerkes vor der totalen (Selbst-)Vernichtung. Oder der Rest der erwiesener­maßen kriegsuntauglichen Männer, die der junge Gideon am Ende ohne Waffen und ohne Plan in die Schlacht gegen die übermächtigen Midianiter führte. Oder die heilige Reserve von 7000 Gerechten, die Gott „sich hat übrig lassen“, um aus denen, die ihre Knie nicht vor dem Baal gebeugt haben, ganz Israel wieder herzustellen. Oder eben Paulus selbst, der am Ende des Briefes durchblicken lässt, dass er als Bote des Evangeliums nicht etwa in Waffen steht, sondern gerade in Ketten liegt (Kap 6,20). Das ist die Schlusspointe des Epheserbriefes! Von ihr aus erschließt sich erst die Ausführung über die Waffenrüstung.  

Kriegsuntauglichkeit will gepflegt sein

„Zuletzt: seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke.“ Das, was von uns übrig bleibt, reicht Gott. Aber reicht es auch uns? Was bleibt denn von mir „übrig“, wenn ich alles loslasse, was mich vorher bestimmt hat? Meinen Wert, meine Identität, meine Ressourcen, meine Rechte und Pflichten? In denen ich mich eingerichtet, hinter denen ich mich verschanzt und unverletzbar gemacht habe? Der Feind will mir glauben machen: „Wenn du deine Panzer ablegst, bleibt nichts von dir übrig!“ Der alte Kriegs­treiber sitzt uns tief in den Knochen. Wir laufen zwar in Friedenslatschen, aber unsere Herzen sind verpanzert. Es ist unendlich schwierig, die eigene Kriegsuntauglichkeit zu pflegen.

Die entscheidende Frage ist: Habe ich erkannt, dass Gott aus dem, was übrig bleibt, mich wieder ganz machen kann? Der Epheserbrief möchte mir genau das ans Herz legen. Gott hat schon vor Beginn der Zeit, noch bevor ich wurde, eine Reserve für mich angelegt. Für mich und für alle Menschen. Diese heilige Reserve Gottes ist Christus, der vor Beginn der Zeit dazu bestimmt war, unser Leben zu sein. Er allein genügt. Jesus Christus ist unsere verborgene Ressource, wenn er in uns lebt, wird sie aktiviert. Er ist allerdings kein geharnischter Krieger. In seinen Waffen zu stehen bedeutet, sich von ihm entwaffnen zu lassen, damit seine Wahrheit, seine Gerechtigkeit, sein Heil und seine Verheißung uns in den neuen Menschen kleiden können. 

Sich rüsten heißt verzichten auf

  • das Korsett der Lebenslüge – die kleinen und großen Selbstbetrügereien, ohne die mein ­Leben auseinanderfließt, ohne die meine Identität bröckelt, ohne die ich einknicke unter der Last der Realität. Ich brauche es nicht mehr, denn die Wahrheit in Christus richtet mich auf, sie hält mein Sein zusammen. Diese Wahrheit gibt mir Identität – schenkt mir meinen Namen ­zurück. Niemand kann sie mir jemals absprechen. Christus selbst ist die Wahrheit – auch meine.
  • den Panzer der Selbstgerechtigkeit. Der hängt über dem Brustkorb. Im Nacken hängt das Gegenstück, aus dem gleichen Material: die Selbstverdammung. Ich brauche mich nicht hart zu machen, ich muss mir keine theologischen oder moralischen Sixpacks antrainieren. Ich bin ein für allemal von der selbst auferlegten Pflicht entbunden, Richter zu sein. Denn Gott spricht Recht. Sein Urteil ist gerecht. Es lautet Freispruch. Denn Christus selbst ist meine Gerechtigkeit.
  • den Stiefel der Einschüchterung, der alles­ ­niedertrampelt. In dem wir gegeneinander mar­schieren – oder voreinander fliehen. Es braucht keine harten Stiefelschäfte, keine ­metallbeschlagenen Absätze, um das Evangelium unter die Menschen zu bringen. Es reicht, wenn ich bereit bin, loszulaufen. Wenn ich meine Füße nicht schone und nicht davor zurückschrecke, dass der Weg zum anderen steinig ist, oder sehr, sehr weit. Die innere Bereitschaft, Frieden zu schließen – sie genügt. Christus ist der Weg, auf dem ich auch die zweite Meile mitgehen kann. 
  • das Schild der Ideologien, der festen Weltbilder und Grundsätze. Vorkehrungen, mit denen ich mich gegen den Zweifel immunisiert habe. Der Glaube hingegen, der lässt sich befragen. Er lebt nicht aus dem Rechthaben, sondern aus dem Vertrauen. Vertrauen auf Gott, aber auch Zutrauen zum Nächsten – das genügt! Wenn ich den anderen erst eine Checkliste an Glaubenssätzen ausfüllen lasse, bevor ich mit ihm das ­Vatergebet sprechen kann, dann glaube ich nicht, dass Gottes Gnade für uns beide reicht. Das Schild des Glaubens ist kein Rundumschutz. Mein eigener, kleiner Glaube braucht den Glauben des Nebenmannes. „Schildkröte“ heißt die römische Formation, in der eine Truppe alle Schilde wie ein einziges großes Schild umgeben und man im Schulterschluss durch den Pfeil­hagel marschieren kann. Einander stützend, stärkend und den Glauben gemeinsam bekennend – nur so wird der feurige Pfeil, der in unserem ­Lager Unruhe schaffen, unsere Reihen auflösen will, abprallen. Nur so entkommen wir dem Zweifel und der Verzweiflung und bleiben fest im Glauben an Christus und beieinander. 
  • den Helm der Selbsterhöhung, die mich verleitet, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. Den Kopfschmuck, der mich einen Kopf  höher macht, der geschmückt ist mit Federbusch, Büffelhorn oder Adlerflügeln, den Insignien der Macht, mit denen ich mich über andere erhebe. Es gilt, endlich den Hut zu ziehen, das Haupt zu entblößen – als Zeichen der Demut, auch voreinander. Und dann, mit entblößtem Haupt vor Gott treten und darauf vertrauen, dass das Heil in Christus genügt. Sein Zuspruch „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein“ bedeckt meine Blöße.
  • das Schwert der Zunge, die anklagt, verleumdet, verwundet. Die dem anderen flucht, ihn verhöhnt, belügt, brüskiert und sogar vernich­tet; oder die der Welt nach dem Munde ­redet, verdreht, verführt – zuweilen auch durch Bibel­worte. Es gibt keine schärfere, gefährlichere Waffe als meine Deutungshoheit über den anderen. Die Welt braucht keine Propaganda, erst recht keine fromme! Christus, fleisch­gewordener Logos, ist das Wort des Vaters an die Welt. Stille sein, Gott ausreden lassen. Das, was im Hören aufsteigt – das genügt. Nicht wir führen das „Schwert des Wortes“; es führt uns!

Der Feldzug der Verletzbaren

Der Feldzug der Gemeinde Jesu ist ein Feldzug der Verletzbaren. Die sich nicht verhärten lassen gegen den Schmerz, gegen das Entsetzen über die Vernichtung, gegen die Empörung über das Unrecht, gegen das Erbarmen, das uns angesichts des Elends erfasst. Das höchste Gut der Kämpfer im Reich Gottes ist ihre Verwundbarkeit. Gott braucht keine Legionäre, die Kopf und Kragen riskieren, ihren guten Ruf, Gesundheit, Geld – und den ganzen Heldenkram. Er braucht ­Männer und Frauen, die den neuen Menschen angezogen haben. Er möchte, dass wir unser Herz riskieren. Denn er will mit unseren Herzen siegen.  Ja, durch den Frieden, der in unsere Herzen einzieht, überwindet Christus die Unversöhnlichkeit in dieser Welt.

Von

  • Írisz Sipos

    ist stellvertretende Chefredakteurin des Salzkorns und mitverantwortlich für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der OJC-Kommunität.

    Alle Artikel von Írisz Sipos

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