Vorsicht Falle!

Vorsicht, Falle! Der Mensch in der Versuchung
© <a href="http://www.3dstreetart-strassenmalerei.de" title="Gregor Wosik">Gregor Wosik</a>

Der Mensch in der Versuchung

Predigt über einen Vers im Vaterunser

So sollt ihr beten: Vater im Himmel, führe uns nicht in Versuchung! Wie sollen wir diese Bitte, die Jesus seine Jünger lehrt, verstehen? Führt Gott uns in Versuchung? Verlockt er uns, Böses zu tun? Hier gilt es sorgfältig nachzudenken! Im Jakobusbrief steht klipp und klar: Keiner, der in Versuchung gerät, soll sagen: Ich werde von Gott in Versuchung geführt. Denn Gott kommt nicht in Versuchung, Böses zu tun, noch verführt er jemanden zum Bösen. Jeder wird von seiner eigenen Begierde, die ihn lockt und einfängt, in Versuchung geführt. Das ist eindeutig. Gott führt uns nicht in Versuchung, sie kommt von innen, von unserer eigenen Begierde, aus unserem „Fleisch“. Wieso steht aber dann im Vaterunser: Vater im Himmel, führe uns nicht in Versuchung?

Fall und Falle

Das liegt an der deutschen Übersetzung. Im Griechischen steht hier das Wort eiseimi, d. h. über jemanden kommen, bei jemandem einfallen (wie ein Räuber). Der ursprüngliche Wortlaut im Aramäischen, also in der Sprache, die Jesus gesprochen hat, müsste so wiedergegeben werden: Gib, dass wir nicht in Versuchung hineingeraten, nicht in ihre Falle tappen. Der Kirchen­vater Ambrosius übersetzt: Lass nicht zu, dass wir in Versuchung geführt werden. Origines schreibt in seiner Schrift zum Vaterunser: Lass nicht zu, dass wir der Versuchung erliegen.

Wir bitten also um Standhaftigkeit in der Versuchung, dass Er uns an der Hand nimmt und führt, sagt Thomas von Aquin, einer der großen Theologen in der Geschichte der Kirche. 
„Vater im Himmel, lass uns der Versuchung nicht erliegen, bewahre uns in der Versuchung, dass wir nicht von dir abfallen“, – so sollen wir beten. Ein französischer Theologe schreibt: Gott führt nicht in Versuchung. Gott liebt. Aber er packt uns nicht in Watte, um uns vor allem zu bewahren. Er wollte­ nicht, dass es in der Welt zugeht wie in jenem Priesterseminar, in dem man jedem Schüler zwei Aufseher an die Seite stellte, um sicher zu sein, dass sie sich anständig benehmen und um ­alle Gelegenheiten zur Sünde von ihnen fernzuhalten.

Getestet und verleitet

Was ist nun genau mit Versuchung gemeint?

Das griechische Wort, das hier steht, heißt: ­peirasmos. Und das heißt sowohl Versuchung im Sinne von Verführung, vom rechten Weg wegführen, als auch Prüfung, jemanden testen, jemandem vor Augen führen, wo er steht. Dass Gott Menschen eine Prüfung schickt, ist ­bekannt; z. B. bei Abraham, als es darum ging, ob er ­bereit ist, seinen Sohn Isaak Gott zu überlassen. Aber Prüfung ist nicht Versuchung zum Bösen, sondern ein Test wie in der Schule, bei dem ich ­erkenne, wo ich stehe. Eine Prüfung will mir ­zeigen, woran ich noch arbeiten muss.

Anders die Versuchung; sie will uns verführen. Dass wir Menschen versuchliche Wesen sind, zeigt sich schon bei Adam und Eva. Da kommt die Schlange und flüstert: Sollte Gott gesagt ­haben? Mitnichten werdet ihr sterben. Ihr werdet Gut und Böse selber bestimmen können. Der Mensch ist für die Stimme des Misstrauens empfänglich, er hört sie und glaubt ihr. Dies zieht sich durch die ganze Menschengeschichte: Der Mensch lässt sich verleiten, in die Irre führen. In politischen Fragen z. B. können wir das sehr deutlich be­­­ob­achten. Menschen sind verführbar bis hin zum Mord, sogar an Volksgruppen und ganzen Völkern. Martin Luther sagt: Wir sind von vorn und hinten von Anfechtung umgeben und können uns davon nicht freihalten. Sie bedroht uns von links und rechts. Was meint er damit?

Von links und rechts

Die Anfechtung von links kommt aus der Schwäche. Krankheit, Armut, Unehre und alles, was weh tut, sagt Martin Luther. Ganz besonders wenn einem sein Wille, sein Vorhaben, sein Ratschlag, sein Wort und Werk verworfen und verachtet wird. Also wenn wir gedemütigt werden, scheitern, einzustecken haben und leiden. Da kommt man in Versuchung zu hassen, bitter zu werden, zurückzuschlagen, wütend zu werden, un­geduldig zu sein. Manche verhärten ihr Herz so, dass sie Gott verklagen. Er ist schuld an meinem ­Unglück, an meinem Leid.

Und die Anfechtung von rechts? Sie kommt aus der Position der Stärke. Ich bin erfolgreich, ­beliebt, es geht mir gut, alles ist in Ordnung. Auch der Wohlstand hat seine Gefahren und verführt zu manch verkehrtem Denken und Tun! In unserer Wohlstandsgesellschaft sehen wir das deutlich. Ich erinnere nur daran, wie viel Brot und andere Lebensmittel jeden Tag weggeworfen werden, sowohl privat als auch von den Läden, während Menschen woanders hungern.

Von innen und außen

Es gibt aber auch eine Versuchung, die von innen oder von außen kommt. Von innen: aus unserem eigenen Herzen. Ein jeglicher wird versucht, wenn er von seiner eigenen Begierde gelockt wird. Wenn z. B. unsere Augen uns verführen, unsere Wünsche und Träume; oder auch unsere Trägheit und Gleichgültigkeit. Von außen: wenn andere uns beeinflussen, z. B. die Werbung, auch das Internet! Das alles kann uns verführen. In den Sprüchen heißt es: Wenn dich die bösen Buben locken, so folge ihnen nicht, denn ihre Füße laufen dem Bösen nach.

Die Kirchenväter haben noch eine weitere Unter­scheidung vorgenommen: nämlich die offene und die verborgene Art der Versuchung. Offen: Da ist die Versuchung offensichtlich. Sie fällt uns an wie ein brüllender Löwe. Und verborgen: Sie kommt auf leisen Sohlen, verkleidet als Engel des Lichts. Sie mischt sich gern unter die Frommen und macht sie hochmütig. Ich danke Gott, dass ich nicht so bin wie die anderen. Oder: Mich hat Gott zur Leitung bestimmt, also müssen die anderen tun, was ich sage. Oder sie macht mich kleinmütig: Ach, ich bin ja nichts wert, so unwürdig. Gott wird mich nicht brauchen können. Auch das ist eine Form des Hochmuts.

Fromme Versuchung

Es gibt noch eine Art frommer Verführung, die Jesus in der Wüste erlebt hat: Der Verführer kommt ganz bibelfest daher – mit Versen aus dem 5. Buch Mose. Das muss Jesus doch überzeugen! Aber dieser durchschaut die Absicht dahinter. Man kann mit Bibelworten Menschen auch verführen. Dazu noch etwas, was man leicht überliest: Die sechste Bitte des Vaterunsers heißt nicht – Führe uns nicht in Versuchungen, Mehrzahl. Es geht hier nicht um kleine, harmlose Verführungen­ wie in einem italienischen Eiscafé das Schild über den köstlichen Eissorten: Führe uns in Versuchung – aber richtig! Es geht hier um etwas anderes, um die Versuchung! Nämlich die Versuchung, unseren Glauben an den Nagel zu hängen und Gott zu verlassen, aus Verzweiflung,  aus Vernunftgründen oder auch aus Bequemlichkeit. Oder andersherum: Gott zu missbrauchen. Ihn so zu denken, dass er meinem Bild entspricht und in meine Vorstellungen passt. Ich schaffe mir Gott nach meinem Bild. Und damit schaffe ich Gott ab.

Geprüft und versiegelt

Auf den letzten Seiten der Bibel sammelt der Widersacher Gottes die Könige und Völker der Erde und zieht in den Krieg gegen Gott und die Seinen. Nun enthüllt er sein wahres Gesicht und das Motiv, worum es ihm von Anfang an ging: Nämlich die Menschen und Gott zu entfremden,­ ihr Vertrauen in ihn zu erschüttern, sie zu Feinden zu machen. Der Feind will uns und Gott auseinanderbringen! Es gibt nur einen, dem der Feind weichen muss, der stärker ist als er, das ist Jesus. Er wurde versucht – doch ohne Sünde. Wir lesen es am Ende der Versuchungsgeschichte: Da verließ ihn der Teufel und die Engel dienten ihm. Im Gefolge Jesu haben wir Anteil an seinem Sieg über den Versucher!

Ich schließe mit einigen Versen aus dem Buch der Offenbarung: Und der alte Drache, die Schlange, die auch Satan heißt oder Teufel, der die ganze Welt verführt, wurde gestürzt. Ich hörte im Himmel eine mächtige Stimme rufen: Jetzt ist ­erschienen das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes und die Macht seines Christus. Denn gestürzt ist der Ankläger, der unsere Brüder und Schwestern Tag und Nacht vor Gott verklagt hat. Er ist besiegt durch das Blut des Lammes. ­(Offenbarung 12). Amen

Von

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