Brauseminar im Januar 2016
Ich sitze in meinem Büro bei angenehmer Arbeitstemperatur von 18 Grad. Das ist auch die Arbeitstemperatur meiner neuen Helfer. Gemeint ist die Hefe. Eine Zelle, die so einiges kann und irgendwie unglaublich ist, die den Zucker in unserer sogenannten Würze in Alkohol, Kohlensäure und Aromen umwandelt. Ja, in meinem Büro da gärt’s vor sich hin und in mir gärt es ebenso. Meine Seele verarbeitet all die Eindrücke, und das braucht Zeit. Ich komme aus einem Wochenende mit Bierbrauen und intensiven Gesprächen in den „Ferment-Gruppen“. Aber die Arbeit des Brauens war gar keine, vielmehr ein sich Fallenlassen in eine Tätigkeit, bei der es nicht um die tägliche Mühsal geht, sondern um Freude die Fülle. Freude über die Fülle der Schöpfung, in der Gott sich verwirklicht und in der er alles schenkt, was es braucht, damit ein so wunderbares Gesöff wie Bier entsteht.
Das Korn bricht auf
Ganz am Anfang unseres Brauvorhabens stand das Schroten des Malzes. Warum? Weil die Malzkörner erst einmal aufgebrochen werden müssen, damit ihre nützlichen Inhaltsstoffe freigesetzt werden. So braucht es auch in meinem Leben manchmal einen Bruch, schmerzvolle Spannung, damit sich Neues entfalten kann. Fliehe ich vor der Spannung und dem Schmerz, verkrustet meine Herzenshaut und ich bleibe, wie ich bin. Aber noch nicht mal das: Ich werde fad wie das Malz, das zu lange rumsteht und nicht mehr zum Brauen taugt. Doch wer braucht Männer, die nichts zu geben haben, fade Männer, die nichts taugen und die ihren Mund nur aufmachen, wenn sie gefragt werden, wenn alles harmoniert und in Ordnung ist und der Applaus sicher?
Es war spannend, als junger Mann mit gestandenen Männern von 40 bis 60 zusammen zu sein und zu erleben, dass ihre Fragen oft gar nicht so weit weg sind von meinen eigenen. Zu erleben, dass ihre Herausforderungen ähnlich spannungsvoll sind, wie diejenigen, die ich mit meinem Mannsein erlebe.
Was macht einen Mann aus und wie kommt man dahin? Was muss ich tun, um einen guten „Geschmack“ zu entwickeln? Was habe ich hinter meiner harten Schale versteckt, dass sie aufgebrochen werden muss? Was rührt Gott in mir an?
Das alles gärt jetzt in mir. Meine Seele braucht so lange wie das Bier. Meine Seele ist beim Bierbrauen angekommen, darum habe ich mir jetzt auch einen Braukessel in meinem Büro zugelegt und braue mein erstes Bier. Es braucht Geduld und Zeit, und so braucht auch mein Herz Zeit, um all die guten Worte, Eindrücke und Aromen zu durchleben und im Alltag einzubetten. Eines habe ich ganz schnell geschmeckt, nachdem ich hier zu Hause nach einer Woche wieder mal ein Bier trank. Ich schmecke jetzt den Aroma-Hopfen, den Bitter-Hopfen, das Gerstenmalz bei diesem oder jenem Schluck heraus. Und das soll alles schon vorher zu schmecken gewesen sein? Ich kann es kaum glauben. Die Wirklichkeit Gottes braucht ein tiefes Eindringen in meine Wirklichkeit, damit ich schmecke und sehe, wie freundlich der Herr ist. Maß halten heißt, den feinen Unterschied wieder wahrnehmen lernen.
Auf das Leben!
Gott mutet uns unsere Berufung zu, weil er uns erschaffen und deswegen einen Anspruch auf unser Leben hat. Vielleicht, weil er, wenn er einen Menschen macht, schon genau weiß, was aus ihm mal werden soll. Vielleicht. Nein, das Bierbrauen lehrt, Gott mutet uns die Bitterkeit und die Süße unserer Berufung zu, weil er uns liebt. Weil er uns liebt, gibt er uns nicht der Langeweile eines spannungslosen, konfliktfreien Lebens preis. Er führt mich in spannungsvollen Situationen zu sich und sagt mir eben dies: weil ich dich liebe.
Die Seminarleiter erzählten offen von ihren Spannungen und machten Mut, ebenso von den eigenen Spannungen zu reden. Im geschützten Raum der Ferment-Gruppe kam Fülle und Freude zum Ausdruck, auch über das Gutvergorene in unserem Leben. Nach jedem Bericht folgte nicht etwa ein Kommentar oder Feedback; nein. Der Redner sagte Prost!, was so viel heißt wie es möge schmecken, zuträglich sein, worauf die anderen Männer fröhlich erwiderten: L‘chaim! auf das Leben. Auf dass es zum Leben führe! Das hoffen wir auch für unser Bier, auf dass es lebendig werde, Umdrehungen bekomme, wie es so schön heißt. Nicht damit der Kopf brummt, sondern damit das Herz fröhlich werde – weil es gelernt hat, Maß zu halten.
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