© Bruderhof Historical Archive, Walden, NY
Zur geistlichen Ökumene, der wir als OJC verpflichtet sind, gehört auch die geschwisterliche Verbundenheit mit dem Bruderhof, einer Gemeinschaft, die aus den geistlichen Aufbrüchen im Zwischenkriegsdeutschland hervorgegangen ist, sich aus der volkskirchlichen Struktur gelöst und bewusst in die Tradition der Täuferbewegung, insbesondere der hutterischen, gestellt hat.
Täuferverfolgung:ein Schandfleck der Reformation
Ihr Gründer, der lutherische Theologe Eberhard Arnold (1883 -1935) hatte dieses Kapitel der Kirchengeschichte, das zum Teil heute noch zu den blinden Flecken der evangelisch geprägten Christenheit in Deutschland gehört, intensiv erforscht und theologisch reflektiert. Blind ist dieser Fleck nicht allein, weil die Volkskirche mit dem Beharren auf der Kindertaufe die Debatte für theologisch gegenstandslos erklärte; zur Blindheit gehört auch die über Jahrhunderte verdrängte Schuld des Verrats. So haben die Nachfolger Luthers, Melanchthons, Zwinglis und Calvins, die doch selbst oft einen hohen Preis für Gewissens- und Bekenntnisfreiheit zu zahlen hatten, den Täufern nicht nur Schutz und geschwisterliche Solidarität verweigert, sondern sie selbst als Ketzer verfolgt – nicht selten bis zum Scheiterhaufen.
Naziterror: blinde Entsolidarisierung
In den 1930er Jahren, als die großen Kirchen in Deutschland dem mörderischen Regime der Nazis geistlich und institutionell so wenig entgegenzusetzen hatten, verweigerten sie dem Bruderhof die Solidarität und sahen tatenlos zu, wie die Gemeinschaft ins Exil gezwungen wurde.* Wir sind dankbar, in der Kommunität des Bruderhofes Geschwister im Glauben und Verbündete im Dienst zu haben, die mit so viel Engagement den Aufarbeitungs- und Versöhnungsprozess zwischen den Volkskirchen und den freien Kirchen in Deutschland, aber auch weltweit, mitgestaltet haben. Die bittere Erfahrung lehrt sie und uns ein Kennzeichen der antichristlichen Dynamik: das Erkalten der Bruderliebe und die innere Entsolidarisierung der Christenheit. Als Antwort darauf haben sie es als ihren Kernauftrag erkannt und angenommen, für Versöhnung und Verbundenheit am Leib Christi und darüber hinaus in der Menschheitsfamilie einzustehen. Ihr gemeinsames Leben und ihr Dienst ist ein Zeichen für die Kirche und die Welt, dass Christus auch die blinden Flecken im Gedächtnis seiner Gemeinde berühren und unseren Blick aufeinander heilen will. Sehr wirksam tun sie das bei unzähligen Einsätzen und diakonischen Projekten in der unmittelbaren Nachbarschaft der Bruderhöfe, aber auch unter den Ärmsten der Armen weltweit, wie jüngst in den griechischen Flüchtlingslagern. Oder eben zeichen- und zeugnishaft, wie bei der Begegnung mit Papst Johannes Paul II. in Rom im Juni 2004, in der beide Seiten ihre Verbundenheit in Christus und in der gegenseitigen Fürbitte bestärkten.
Zurück in Deutschland: im Geist der Urgemeinde
Seit 2002 ist der Bruderhof auch in Deutschland wieder ansässig. Sie beleben das Gründungshaus im nordhessischen Sannerz, das sie vor der Flucht zurücklassen mussten, und eine kleine Zelle in Holzland. Versöhnung und Einheit gestaltet die Gemeinschaft nach innen durch ihren fröhlich-radikalen Lebensstil, ganz im Geist der Urgemeinde. Nach außen tut sie dies durch tatkräftige Solidarität mit den Geschwistern, die Christus als ihren Heiland bekennen, und mit tiefer Bereitschaft zum Dialog mit allen Menschenkindern, die sich für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt einsetzen. In beidem war und ist der Bruderhof uns stets ein ermutigendes Vorbild. So lassen wir uns gerne auch von den „Grundlagen“, der geistlichen Regel der Gemeinschaft und ihren konstituierenden Schriften, inspirieren, ohne Herzensenge und ganz groß von Christus und seiner Kirche zu denken und uns in die Einheit einzuüben:
Aus den konstituierenden Schriften während der Verfolgungszeit:
* Die Geschichte ihres Widerstandes nach Hitlers Machtergreifung liest sich wie ein Polit-Krimi. Botschaftsbelagerung lautet der Titel der von Emmy Barth zusammengestellten Chronik. Sie zeigt, wie totalitäre Mechanismen kirchliches Leben und geistliches Denken bedrücken und korrumpieren, indem sie die Lehre der Bibel durch Ideologien, die Autorität Jesu durch menschliche Heilsbringer und die Gemeinschaft des Leibes Christi durch kollektivistische Selbstbehauptung ersetzen. Das Buch ist 2015 auf Deutsch im Plough Verlag erschienen, es kann bestellt bzw. als E-Book heruntergeladen werden unter www.plough.com/bbg
Zur Lektüre empfehlen wir auch die neu bearbeitete Dissertation von Antje Vollmer, evang. Theologin und ehem. Vizepräsidentin des Bundestags: Die Neuwerkbewegung. Zwischen Jugendbewegung und religiösem Sozialismus (Herder Verlag, 2016).
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