Während einige meiner Mit-Jahresmannschaftler in den ersten Wochen Heimweh verspürten, war ich regelrecht begeistert von meinem neuen Leben in der OJC. Endlich weg von Zuhause und dem altbekannten, manchmal langweilig-erdrückenden Umfeld, hinein in eine spannende Welt voller herzlicher, offener Menschen, die ihr Leben auf Gott setzen. Das wollte ich auch. Dazu praktisches Arbeiten, Gemeinschaft, tiefe Gespräche und lebendiges geistliches Leben – der Himmel auf Erden.
Leere Versprechungen?
Ich spürte, wie die Menschen voller Hoffnung und Überzeugung für ihren Gott lebten. Sie hatten Liebe und großes Vertrauen auf seine Gegenwart. Bei mir aber nisteten sich in der Stillen Zeit und in ruhigen Momenten Leere und Zweifel ein. Ich spürte Gott nicht, er war weg. Wie konnte das sein? Ich glaubte und betete doch von klein auf zu Gott. War das nur Gewohnheit gewesen? Warum trug mich dieser Glaube nicht mehr? Jesus – Mensch und Gott? Tod am Kreuz und Auferstehung? Machte alles keinen Sinn. Wenn ich ehrlich war, glaubte ich das nicht wirklich. Ich begann zu hinterfragen, zu zweifeln, zu verzweifeln. Die Stille Zeit, die Mittagsgebete, das Abendmahl, die gläubigen, herzlichen OJCler – das, was ich anfangs als Wohltat empfand, wurde zur täglichen, bitteren Konfrontation. Meine Mentorin jedoch ermutigte mich geradezu, dieses unangenehme Gefühl zuzulassen – wahr sein zu lassen, wie sie so schön sagte. Unsicher begann ich, mich zu öffnen und andere an meinem inneren Hadern teilhaben zu lassen: Wie würden sie reagieren? Ich war überrascht, als mich alle mit den Zweifeln annahmen und sich mir anteilnehmend und gelassen zur Seite stellten. Allmählich wurde mir bewusst, dass ich Zweifel, Ärger und Wut bislang unterdrückt hatte und als jemand wirkte, der brav und gläubig keinerlei Anstoß erregte. Nach und nach erkannte ich, dass ich mich für Ärger und Wut gegenüber anderen Menschen nicht zu verurteilen brauchte, sondern dass all das in mir Raum haben darf, dass ich diese negativen Emotionen erst abgeben und loslassen kann, wenn sie vorher wahr sein durften. Ich gab es auch auf, Zweifel an Gott zu unterdrücken. Der erste Schritt, ihnen auf den Grund zu gehen.
Ich will mich finden lassen
In dieser Zeit war die stille Zeit und das Gespräch mit meiner Mentorin und anderen Vertrauenspersonen ein großes Geschenk. Während meiner Suche nach Gott stieß ich auf zwei Zusprüche.
Erstens: Denn aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet, nicht aus eigener Kraft – Gott hat es geschenkt, nicht aufgrund eurer Werke, damit keiner sich rühmen kann (Eph 2,8–9).
Zweitens: Wenn ihr mich sucht, werdet ihr mich finden. Ja, wenn ihr von ganzem Herzen nach mir fragt, will ich mich von euch finden lassen. Das verspreche ich, der HERR (Jer 29,13–14).
Ich hörte auf, verkrampft dies oder jenes glauben zu wollen, nur weil man das als Christ tut. Stattdessen gestand ich mir ein, dass ich aus eigener Kraft heraus nicht glauben konnte und Gott mir auch das Vertrauen wieder neu schenken musste. Ich kam vor ihn mit leeren Händen, mit meiner ganzen Sehnsucht nach ihm, und konnte nur hoffen, dass er sich von mir finden ließ, so wie er es bei Jeremia versprach. Und tatsächlich – bald spürte ich Gottes Sehnsucht nach mir. In den Mentoren-Gesprächen verstand ich, dass irgendwann ein nächster Schritt folgen würde. Nämlich Ja zu Gott zu sagen, auch wenn ich seine Gegenwart nicht immer spüre; Vertrauen zu wagen, dass er die Beziehung zu mir möchte und dann neugierig zu erwarten, was er damit macht.
Neujahrsbeginn
Am Silvesterabend wagte ich den Schritt und legte mein Leben neu in Jesu Hände. So konnte ich das alte Jahr und die Vergangenheit mit allen Zweifeln loslassen und das neue bewusst mit Gott beginnen. Der Abend war geprägt von einer inneren Freude. Es war ein bisschen, als ob ich fliegen würde. Ich spürte, wie Gott sich mit mir freute über diesen Neuanfang, und fühlte seine lang ersehnte Nähe. Schon am nächsten Tag aber schlichen sich abermals Leere und Zweifel ein: War meine Entscheidung richtig und aus vollem Herzen getroffen? Oder hatte ich meine Fragen und Zweifel nur für diesen Moment weggeschoben? Galt Gottes Ja zu mir? Schon wurde ich traurig an diesem so schönen Neujahrstag. Nach dem gemeinsamen Brunch durfte jeder einen Zettel mit einem Bibelvers für das neue Jahr ziehen. Als ich in den Beutel mit den Zetteln griff, überkam mich eine innere Unruhe, so sehr hoffte ich, dass Gott mir durch den Vers eine Antwort auf meine Fragen geben würde. Mein Vers steht in 3. Mose 33: Der Herr erwiderte: Ich werde mitgehen, du kannst ruhig sein. Da wusste ich: Gott hatte mir geantwortet. Auch er hatte Ja zu mir gesagt. Selbst nach drei Jahren ist meine Suche nach ihm an kein Ende gekommen, ich werde sie wohl nie ganz abschließen. Manchmal darf ich mir seiner Zuwendung und Kraft und seines Trostes ganz gewiss sein, ein andermal scheint er wieder unendlich weit weg. Doch in und durch alles Fragen und Ringen ist eine neue Gewissheit gewachsen: Gott wird mitgehen, ich kann ruhig sein.
Lea Z. gehörte zur Jahresmannschaft 2014/15. Sie studiert heute Physiotherapie in Berlin.
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