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Salzkorn

Brennglas Israel. Herz und Perspektive weiten

Aus dem Editorial vom Salzkorn 1 / 24:  Nach einer Kette von Krisen in den vergangenen Jahren stellt sich die brennende Frage: „Wie stehst du zu Israel?“ Angesichts der Invasion der israelischen Armee und des unermesslichen Leides der palästinensischen Bevölkerung im Gaza-Streifen entwickelt sich die Frage immer mehr zu: „Wie kannst du noch zu Israel stehen?“ Die unentwirrbare Situation und der drohende Flächenbrand im Nahen Osten machen das Herz eng und trüben den Blick.

Wie im Brennglas verdichten sich in den Ereignissen vom 7. Oktober 2023 historische, ideologische, religiöse und soziopolitische Konfliktlinien zwischen verschiedenen Welten: Abend- und Morgenland, Ost und West, rechts und links, zwischen Judentum und Islam. Wir alle spüren ihre zerstörerischen und toxischen Folgen. Fragen nach Schuld, Ursache und Wirkung verschwimmen in einem Meer aus Komplexität. Die EINE Deutung scheint es nicht zu geben. Das Ansinnen, sich auf die Seite der „Guten“ zu schlagen, um ja nicht bei den „Falschen“ der Geschichte zu landen, ist ebenso zum Scheitern verurteilt wie der Versuch, „möglichst neutral zu bleiben“.

Die Gewalt der Hamas-Terroristen gegen die israelische Zivilbevölkerung, gegen wehrlose Greise und Säuglinge, Frauen, Kinder, Schlafende und Behinderte, offenbart den Abgrund der Barbarei. In der allzumenschlichen Niedertracht manifestiert sich die Wucht diabolischer Kräfte. Besorgniserregend ist der sich global ausbreitende Antisemitismus. Mal unverhohlen-aggressiv, mal subtil ist er anscheinend ungebrochen aktivierbar. Vor dem Hintergrund der wechselhaften Geschichte unserer Kirche(n) und angesichts der Shoah kommen wir nicht umhin zu fragen: Warum richten sich Bitterkeit, Kränkung, Frustration, Angst, Hass, Vorurteil und die ständige Jagd nach einem Sündenbock so geballt und so zielsicher gegen die leiblichen Erben des Bundes? Jenes Bundes, auf den sich Christen und Muslime gerne berufen und dessen Wertehorizont auch untrennbar zur Identität unserer säkularen weltweiten Wertegemeinschaft gehört? Müssen wir in dem immer neuen Hass gegen das Volk Israel nicht ein Aufbäumen gegen den Bund sehen, und gegen den Gott, der für ihn bürgt?

Die Dunkelheit vor unseren Augen offenbart die Realität des Bösen in der Welt, deren Teil wir sind. Sie ist auch unsere Dunkelheit. Umso wichtiger ist: Durch Jesus Christus gehören wir einer anderen Realität an. Seine Realität ist Wahrheit und Gerechtigkeit und Leben. Aus ihr fließt uns Zuversicht zu, Kraft für Solidarität, für Hilfe in der Not und zum Gebet um Versöhnung. In Christus, in seinem Tod und in seiner Auferstehung, sind Tod und Hass überwunden. Von dieser Hoffnung geben die Berichte unserer Freunde aus christlichen Werken in Israel und Palästina ein ermutigendes Zeugnis.

Die Nachfolge Jesu ist eine Bewährung in den Herausforderungen dieser Zeit. Christsein verwirklicht sich im spannungsvollem UND: Mit ganzem Herzen festhalten an Gottes Verheißungen, aber ohne den Anspruch, herbeiführen zu können, was nur Er vollenden kann. (S. 6) Alles menschliche Trachten steht unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit, Endlichkeit und Fehlbarkeit. Ein Christ kann daher für das Volk Israel sein und dennoch gegen die Politik der aktuellen Regierung. Er kann in aller Schärfe den im Islam verankerten Dschihad kritisieren und zugleich allen Muslimen guten Willens herzlich begegnen. Vor allem aber soll er den Frieden suchen und ihm nachjagen, auch dort, wo die Aussicht darauf verstellt ist. Einen visionären und wieder aktuellen Text des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber aus dem Jahr 1947 möchten wir Euch besonders ans Herz legen (S. 20). Darin thematisiert er die Ideologisierung der „Israelfrage“ im Zugehen auf die Staatsgründung. Zugleich betont er die tiefe Verbundenheit der Juden zu Palästina als ihrer historischen und geistlichen Heimat und die Notwendigkeit einer friedlichen Koexistenz mit den Arabern, die in diesem Land zuhause sind.

Konstantin Mascher

 

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